Nach umfangreichen mikrochirurgischen Eingriffen öffnete das Hotel El Palau Fugit, ein ehemaliger Bau aus dem 18. Jahrhundert in der spanischen Stadt Girona, seine Pforten. Nicht ohne zahlreiche historische und zeitgenössische Kostbarkeiten preiszugeben.
Es gibt Hotels, die haben so etwas Nüchternes, Pragmatisches – sie erfüllen ihren Zweck. Man übernachtet einfach. Sei es, weil man Tourist ist oder aus beruflichen Gründen. Und schon nach wenigen Tagen, nachdem man dort geschlafen hat, vergisst man diese Bettenburgen wieder. Sie gleichen einander, obwohl und auch wenn einige von ihnen natürlich ihren eigenen Charme haben.
Und dann gibt es die anderen Hotels. Man möchte gar nicht hinaus auf die Straße, möchte sie gar nicht mehr verlassen. Sie sind eine architektonische Kostbarkeit, ein Design-Juwel, eine Wohlfühl-Oase oder sogar alles zugleich. Sie werden zum Ziel selbst der Reise. Das Palau Fugit im Barri Vell von Girona ist so eines.
Palau Fugit: Eine einzige einladende Geste
Das Hotel ist eine einzige außergewöhnliche einladende Geste – selbstverständlich auch eine, die Lust auf die reiche Geschichte und Kultur von Girona macht.
Im Palau Fugit kann man Tage verbringen und immer noch etwas Neues entdecken: Ob einen Innenhof nach dem anderen oder den Pavillon. Ob Galerien oder Flügel aus dem 18. Jahrhundert …
Nachdem Architekt Daniel Isern die Renovierung der Struktur in Angriff genommen hat, ist Natali Canas del Pozo, zusammen mit Oliver Franz und Lucas Echeveste Gründerin von El Equipo Creativo, ein ganz großer innenarchitektonischer Wurf gelungen.
Mitten in Gironas stimmungsvollem Barri Vell, der Altstadt, hat das preisgekrönte Innendesign-Studio einen stillgelegten Palast aus dem 18. Jahrhundert in das verführerische El Palau Fugit verwandelt – sehr passend zur Stadt im Nordosten Kataloniens, die ihre Besucherinnen und Besucher ebenfalls gut zu umgarnen weiß.
„El Palau Fugit“, das bedeutet im Katalanischen so viel wie der „Palast des Rückzugs“. Und tatsächlich bietet der Komplex aus dem 18. Jahrhundert im Herzen von Girona seinen Gästen die Möglichkeit, lange Nachmittage in einem der Innenhöfe des ursprünglichen Gebäudes zu verbringen – nebst der fast drei Meter hohen Keramikskulptur des katalanischen Künstlers Frederic Amat. Oder die Architektur im Detail zu studieren. Oder einfach nur die in der Suite befindlichen Kunstwerke zu betrachten und über die Schönheit der Dinge und das Leben abseits von Sachzwängen und Fremdbestimmung zu sinnieren.
Wieder in die Stadt eingebunden
Einen Sachzwang gibt es allenfalls beim Preis: Für die Nächtigung in den historischen Gemäuern in der Carrer Bonaventura Carreras I Peralta in Girona muss man rund 300 Euro veranschlagen.
Palau Fugit besteht aus zwei Hauptteilen. Sie wurden von dem in Barcelona ansässigen Architekturbüro Isern Associats an die Bedürfnisse des modernen Reisenden angepasst.
Der erste Teil ist der ursprüngliche „Palauet“. Hier befinden sich in einem gewölbten Innenhof, der in „La Placeta“ umbenannt wurde, der Empfangsbereich, das Restaurant und die Cocktailbar sowie versteckt, das Spa. Zu den Zimmern gelangen die Gäste über die ursprüngliche Treppe des Palastes. Jedes Zimmer im Palau Fugit bietet einen Blick auf die mittelalterliche Stadt.
Die Planer hatten von Anfang an die Idee, den Palast wieder in das gesellschaftliche Leben und Treiben der Stadt einzubinden. Und so haben sie La Placeta als Ort der Begegnung und des Austauschs konzipiert. Die bunten Sessel und Tische verleihen ihm seinen fröhlichen Charakter.
Formalität gepaart mit Nonchalance
Gleich angrenzend, räumlich ineinander übergehend, checken die Gäste am blauen Yves-Klein-Empfangstisch ein. Er wird von einem „blühenden“ goldenen Kronleuchter erhellt. Diese Komposition gibt den Ton für den Rest des Hotels an – ein Konzept, das Geschichte und Moderne, Formalität und Nonchalance in Einklang bringt.
Das zweite Gebäude, Pavelló genannt, ist ein Anbau, der einem modernen, rationaleren Ansatz folgt. Beide Gebäude sind durch eine Terrasse verbunden, die das „Herz“ des Hotels darstellt.
Stadt und Hotel mit zwei Gesichtern
Ausgestattet mit einem kleinen Swimmingpool, üppigen Farnen und der poetischen zentralen Skulptur „Font de Gararotes“ des bekannten lokalen Künstlers Amat, bietet sie eine ruhige Oase für die Gäste und eine natürliche Verbindung zwischen den beiden Gebäuden.
Die Stadt Girona habe zwei Gesichter, meinen die Designer bei El Equipo Creativo. Dies sei der kreative Ausgangspunkt gewesen. Denn es gibt einerseits das Barri Vell, das alte Viertel mit seinen verwitterten Steinfassaden, versteckten Sackgassen, Säulengängen und Steinwällen.
Umfangreiche „mikrochirurgische“ Eingriffe
Und andererseits hat die Stadt eine „hellere Seite“. Diese ist geprägt von den leuchtenden Farben der Stadthäuser am Fluss Onyar. Und vom berühmten Frühlingsfest von Girona, „El Temps de Flors“, übersetzt „Die Zeit der Blumen“. Diese Einflüsse, ergänzt durch beeindruckende moderne Kunst und kunsthandwerkliche Objekte, schufen ein Hotel, das zum entdecken und genießen einlädt.
Nach den umfangreichen „mikrochirurgischen Eingriffen“ durch El Equipo Creativo fördert El Palau Fugit zahlreiche historische und zeitgenössische Überraschungen zutage. In vielen Ecken des Hotels existieren Vergangenheit und Gegenwart perfekt nebeneinander, ohne sich zu widersprechen.
Mehr als drei Jahre Zeit zur „Reifung“
Es hat mehr als drei Jahre gedauert, dem Palau Fugit sein zweites Leben zu geben. Es sei nach und nach gereift, wie langsam gegart, so Canas del Pozos Worte. Im Mittelmeerraum gibt es zwar viele „Paläste“ dieser Art – aber El Palau Fugit ist und bleibt etwas Besonderes. So sind beispielsweise keine zwei Suiten gleich.
Für die Zimmer im El Palauet hat El Equipo Creativo das prächtige Dekor des Fin de Siècle durch ein Prisma aus zeitgenössischem Design und Kunst neu interpretiert.
Feminine Note
Ganz bewusst wurde den Räumen eine feminine Note verliehen. Dazu tragen auch die Liebe zum Detail, die Auswahl von Materialien und Texturen und damit das reiche visuelle und haptische Erleben bei.
Die Zimmer im El Palauet sind in einer Palette von Natursteintönen und sanften Blau-, Grau- und Rot-Tönen gehalten. Sie schaffen eine elegante, sehr zeitgemäße Inszenierung und lassen ursprüngliche Elemente wie Deckenrosetten und geschnitzte Balkonfensterläden wieder aufleben.
Dolce Vita-Farbpalette des Mittelmeers
Die Suiten im Pavillon sind in den Farbtönen der Region gehalten: Dem Blau des Meeres und den Creme-, Beige-, Kachel- und Brauntönen des Bodens und der Fassaden.
Letztere wurden mit sehr nüchternen und orthogonalen Formen umgesetzt. Sie erinnern damit an katalanische Architekten wie Josep Lluís Sert oder Coderch. Beton findet sich hier fein mit Keramik und geometrischen Linien kombiniert.
Der Mid-Century-Chic wird durch das natürliche Licht, das durch den direkten Zugang zum Innenhof einfällt, noch verstärkt. Handgefertigte Terrakottablöcke und -fliesen erzeugen wellige Schatten und strukturierte Oberflächen. Die Rattanstühle und -Tische ihrerseits erinnern an die lokalen Handwerksateliers der Costa Brava.
Kurve ist die Norm
Mit Farbtupfern und handgesponnenen Textilien ist das Gesamtbild gleichzeitig lässig glamourös und mühelos cool.
In den Räumen des Palasts ist die Kurve die Norm. El Equipo Creativo hat versucht, die Gewölbe zu erhalten. Sie sind also selbst dort sichtbar, wo die Decken abgesenkt werden mussten.
Kurvig sind auch die Möbel, etwa die Schminktische, Paravents oder üppigen Sofas. Sind sie in modernen Häusern und Wohnungen kaum mehr zu finden, gelangen sie hier im Palau Fugit zu neuen Ehren.
Freilich finden sich derartige Möbelstücke in vielen Suiten. Aber im Palau Fugit werden sie neu interpretiert, finden eine neue Bestimmung: Der Diwan wird zu einer Sofabank. Der Paravent, natürlich aus Weidengeflecht und mit einer geschwungenen Silhouette, wird zum Kopfteil der Betten.
Stein ist das „Star-Material“ des Palau Fugit
Und der Schminktisch, der wie aus einem klassischen Ankleidezimmer vergangener Jahrhunderte entnommen aussieht, wird zum skulpturalen Waschbecken.
Das „Star-Material“ des Hotels: Stein. Das erwähnte Waschbecken ist eine wohl durchdachte Anspielung auf die Steine, die im historischen Zentrum von Girona, wo sich El Palau Fugit befindet, reichlich vorhanden sind.
Bögen und Säulengänge als wiederkehrendes Motiv
Der Originalstein in der Gebäudestruktur wurde so weit wie möglich beibehalten – angefangen bei den Fassaden, den Innenhöfen oder im Spa, das seinen Platz in den alten Weinkellern gefunden hat. Auch die Kamine sind in vielen Zimmern erhalten geblieben.
Obwohl jedes Zimmer und jede Suite eine eigene Designgeschichte erzählt, sind die gotischen Bögen und Säulengänge, ein vorherrschendes architektonisches Motiv des Barri Vell von Girona, ein wiederkehrender Stempel auf die Gestaltung des Hotels.
Äußerst kunstvoll
Im Palau Fugit gibt es viel Künstlerisches und Kunstvolles zu sehen. Die ausgewählten Gemälde, Skulpturen, Wandmalereien und Fotografien sind allesamt Originalwerke von lokalen Künstlern. Auch „Casa Heras“, das Restaurant des Hotels, ist mit moderner Kunst ausgestattet – darunter die skurrilen Wandmalereien von Joana Santamans und die maßgeschneiderten Keramiken der Kunsthandwerkerin Núria Gimbernat.
Gleißende Kupfertöpfe und -pfannen auf einer antiken Kommode sind Blickfang im Speisesaal. Die Tische, Stühle und Armaturen dagegen vermitteln ein zeitloses, modernes Ambiente.
Im angrenzenden El Salon schmecken – umgeben von den Überresten der alten Palastmauern – die Cocktails, nehmen die Gespräche interessante Wendungen.
La Biblioteca, die Bibliothek, wiederum präsentiert sich sehr vornehm. Der Raum eignet sich auch gut für private Bankette und Versammlungen rund um den schönen ovalen Marmortisch.
Schauplatz für „Game of Thrones“
In den Zimmern betonen kreisrunde Teppiche mit Blumenmustern die feminine Note des Hotels. Ob es daran liegt, dass der „Temps de Flors“ auch viel weibliche Gäste anzieht? Dabei handelt es sich um das berühmte Festival von Girona, das in den 1950-er Jahren initiiert wurde. Seither verwandeln sich jedes Jahr die Häuser und Höfe in prachtvolle Gärten. El Palau Fugit wird es ihnen auf jeden Fall gleichtun. Und damit die Tradition der Region hochhalten.
Girona ist das Tor zur Costa Brava und die Hauptstadt der berühmten katalanischen Region Empordá. Die Naturschönheit ist eine eine verlockende Mischung aus Gastronomie und Kultur. Die gut erhaltenen historischen Gebäude reichen über ein Jahrtausend zurück, darunter El Call, die Überreste der wichtigsten jüdischen Gemeinde Spaniens. Die alten Gemäuer der Stadt dienten sogar als Schauplatz für die Fernsehserie „Game of Thrones“.
Spezialisten für Hotel und Gastronomie
Die Restaurants der Stadt, in denen das berühmte Michelin-Restaurant El Cellar de Can Roca beheimatet ist, sind bekannt für ihre lokalen Weine und die fantasievolle katalanische Küche.
El Equipo Creativo bedeutet auf Deutsch so viel wie „das kreative Team“. Das renommierte Innenarchitektur- und Designstudio mit Sitz in Barcelona wurde 2011 von den Architekten Oliver Franz Schmidt, Natali Canas del Pozo und Lucas Echeveste Lacy gegründet. Rasch war allen Beteiligten klar, worauf man sich spezialisieren mag: Auf die Gestaltung von Hotel-, Gastronomie- und Markenräumen.
Mehr als 70 internationale Designpreise
Im Mittelpunkt der Firmenphilosophie steht die Überzeugung, dass Raumdesign fesselnde Geschichten erzählen und Menschen inspirieren sollte – immer auf der Grundlage eines soliden konzeptionellen Ansatzes.
Das Portfolio von El Equipo Creativo umfasst die Zusammenarbeit mit einigen der renommiertesten Küchenchefs der Welt, es finden sich auch Michelin-Sterne-Restaurants darunter. Das Unternehmen hat mehr als 70 internationale Designpreise abgeräumt, dazu zählen angesehene Auszeichnungen wie die Restaurant & Bar Design Awards, die BOY Awards oder einen Architizer A+Awards als „Best Interior Design Firm“. Die Zeitschrift FRAME hat El Equipo Creativo als eines der 20 einflussreichsten Design-Büros der Welt ausgezeichnet.
Text: Linda Benkö
Fotos: Salva Lopez
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