Andrea von Goetz ist Kunstsammlerin. Am wohlsten fühlt sich die Hamburgerin aber mit der Bezeichnung Kunstkomplizin, denn diese ist nicht limitiert, genauso wenig wie ihr Schaffen. Wir haben die Kunstkomplizin zum Interview eingeladen und sie erzählen lassen: über Kunst, Nahsein, Leidenschaft und Lebensfreude.
Du kommst gerade von dem Festival sommer.frische.kunst zurück – wie war’s und wie geht es dir?
Ich bin gerade wieder hier zum Abbau der ganzen Kunst. Das Festival hat zum zwölfte Mal stattgefunden und war sehr erfolgreich – gute Besucherzahlen und sehr gute Presse. Persönlich ist es durch die Größe in diesem Jahr mit 20 Künstler*innen, einer Erstausgabe unserer Kunstmesse art:badgastein und zwei großen Projekten im öffentlichen Raum eine sehr anstrengende Zeit, die am Ende nach gutem Gelingen aber glücklich macht.
Was macht Kunst mit den Menschen?
Das kommt drauf an, wie man sich auf sie einlässt und was man von ihr möchte. Es gibt Menschen, die kaufen Kunst, um sich inspirieren zu lassen, damit vielleicht sowohl auf emotionaler als auch auf intellektueller Ebene etwas bei ihnen passiert. Andere kaufen ein Bild und hängen es an die Wand. Es ist dann zwar Teil der Einrichtung, aber nicht wirklich ein Teil von ihnen.
Was war dein allererstes Kunststück und warum hast du es dir ausgesucht?
Das war eine sehr große Arbeit der Künstlerin Hannah Nitsch, eine Tuschearbeit, die mir sofort ins Auge gefallen war – schön und doch auf der anderen Seite eher verstörend. Ein sehr spezielles Porträt ihrer Tochter.
Was, glaubst du, suchen die Menschen und können sie es bei euch z. B. im Collectors Room finden?
Wir haben uns den Ruf erarbeitet, ein sehr gutes Gespür für junge Künstler*innen zu haben. Sozusagen die Entdecker zu sein. Und viele Kunstinteressierte lockt das sehr. So finden sie tolle Arbeiten von „emerging artists“ in unseren Ausstellungen und kaufen diese vielleicht auch ein bisschen in der Hoffnung, dass der Kunstschaffende sich auf dem Markt gut entwickelt. Tatsächlich hat das auch, angefangen in der Pandemie, online auf unserer Seite gut geklappt. Ab 6. Oktober zeigen wir in Hamburg genau so eine junge Künstlerin – Juno Rothaug.
Woran arbeitest du gerade?
Tatsächlich werden es mehr Projekte in Österreich sein. Da meine Söhne in Hamburg sozusagen aus dem Haus sind, ist da jetzt mehr Platz und Flexibilität. Zusätzlich habe ich ein weiteres Projekt beendet – das Alpenhaus Barbara am Fuße der Berge in Alt-Böckstein in der Nähe von Bad Gastein. Ursprünglich war es eine Schmiede aus dem Jahr 1750, die wir in den letzten Jahren komplett saniert und renoviert haben. Und mit dem nötigen Gespür für Ästhetik, Respekt vor der Tradition und natürlich auch unter Einbezug der lokalen Handwerkskunst wurde aus der Schmiede ein Chalet, das wir jetzt vermieten.
Wann ist ein*e Künstler*in für dich interessant?
Wenn beim Betrachten des Kunstwerks irgendwas passiert. Das muss nicht immer auf intellektueller Ebene sein. Es kann auch sehr emotional sein. Manchmal reicht es, wenn ich beim Anschauen lächeln muss und die Botschaft ankommt. Das war gerade bei Max Weiss so. Es muss nicht immer streng und akademisch sein. Aber die Qualität der Arbeit muss stimmen, und das sieht man nach über 15 Jahren in der Kunstwelt ziemlich schnell.
In dieser Ausgabe von THE STYLEMATE geht es um Nagomi, also den japanischen Weg zu Harmonie und Lebensfreude. Was verbindest du mit Nagomi?
Bei mir überwiegt die Lebensfreude, tatsächlich. Und ich habe das Glück, Dinge zu machen, beruflich und privat, die mir diese Freude bescheren. Das Älterwerden ist in Bezug auf Harmonie und Lebensfreude auch ein guter Ratgeber. Man hat gelernt, dass beide Seiten zum Leben gehören und es auch mal dunkel und kraftzehrend werden kann. Aber auch das gehört zum Leben – man muss es nur verstehen und annehmen.
Was ist die Aufgabe von Nagomi in unserer heutigen Zeit?
Ich denke eher, dass jeder Einzelne eine Aufgabe hat und sich und sein Leben vielleicht ein bisschen überdenken muss. Es ist ein Geschenk, dass wir in diesem freien Land mit allen Möglichkeiten schon so lange in Frieden leben können. Es ist mehr als ein 6er im Lotto. Vielleicht ist es da an der Zeit, innezuhalten und etwas zurückzugeben – an Menschen, die gerade auf der anderen Seite leben müssen. Ich habe Freunde, die tun dies gerade bis zur Selbstaufgabe, sie haben meinen größten Respekt. (Be an Angel.)
In welchen Momenten erlebst du die größte Lebensfreude?
Mit den einfachen Dingen – in der Natur, in den Bergen, am Meer, mit meinem Dackel, mit Freund*innen und Familie und wenn ich sehe, dass meine Söhne gerade mit ihrem Leben glücklich sind.
VGS Hamburg
Maria-Louisen-Straße 9
22301 Hamburg
Photo Credits: Florian Kolmer / Benne Ochs / Holger Schmidhuber
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