In der vietnamesischen Hafenstadt Hải Phòng hat das Architekturstudio Le House mit dem No. 1986 ein Café entworfen, das einen den Alltagstrott vor der Tür vergessen lässt.
Wenn Städte reden könnten, dann würde die vietnamesische Hafenstadt Hải Phòng die wohl aufregendsten Geschichten erzählen. Diese wurde Zeuge zahlreicher Geschehnisse, geprägt von sowohl wirtschaftlichem Aufstieg als auch tragischen Erlebnissen wie dem Vietnamkrieg. Nach turbulenten Jahrzehnten bekam das Land 1976 – nach der Wiedervereinigung Nord- und Südvietnams – endlich einen Neustart. Seither hat sich einiges in Hải Phòng getan. Die Zwei-Millionen-Metropole ist nicht nur zweitgrößte Hafenstadt Vietnams, sie gilt auch als wirtschaftliches Zentrum des Nordens. Jahr für Jahr zieht es zahlreiche Touristen hierher – nicht zuletzt für eine Bootsfahrt durch die Felslandschaft der Halong-Bucht, die als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde. Besuchende können hier neben den zahlreichen Sehenswürdigkeiten auch die authentische Kultur Vietnams bewundern.
Eben diese Wertschätzung der Vergangenheit diente auch den Architekten von Le House als Impuls für das No. 1986 Coffee & Restaurant. Konkrete Inspiration für das vietnamesische Studio: Das Khan mo qua. Ein traditionelles vietnamesisches Kopftuch, das an die Form eines Krähenmauls erinnert. „Die Idee des Empfangsbereichs wurde von dem Bild des Mỏ-quạ-Schals inspiriert, den junge Mädchen aus dem alten Norden trugen, und wurde in einer sehr modernen Sprache umgesetzt“, so Le House. Das Khan mo qua ist allerdings kein einfaches Kopftuch, sondern eine ganz eigene Kunstform, die die Schönheit der Frauen zelebriert.
Räumliche Entdeckung
Schon von weitem zieht das No. 1986 – auch Mot Chin Tam Sau („Eins Neun Acht Sechs“) genannt – mit seiner außergewöhnlichen Fassade die Blicke auf sich und spielt mit ebendieser Wahrnehmung. Denn die Fassade aus Backstein erhält durch einzelne fehlende Steine ein unverkennbares Muster. Zusätzlich lassen die großen Fenster viel Licht das Innere durchfluten – und einen ersten Blick in den Laden gewähren. Beim Betreten des Lokals ist klar: Dies ist kein typisches Cáfe. Die Stockwerke werden durch lange Treppen miteinander verbunden und kreieren einen großen Raum. Einen Raum, der erkundet werden möchte.
„Wenn die Gäste durch die Tür kommen, möchten wir nicht, dass sie dicht gedrängte Tische und Stühle oder den Bartresen sehen. Die Leute sollen eintreten und eine ganz eigene Welt entdecken“, so Le House. Dazu tragen auch die riesigen Deckenfenster bei, die den Raum nicht nur optisch vergrößern, sondern auch lebendiger erscheinen lassen.
Genuss im Grünen
Das No. 1986 erstreckt sich über 1.000 Quadratmeter. Die Backsteinmauern, die auch im Inneren des Cafés den Ton angeben, verleihen den Räumlichkeiten ein besonderes Flair. Besucher sollen ein Gefühl der Gemütlichkeit und des Ruhe bekommen, so das Architekturstudio. Zahlreiche Sitzgelegenheiten und ruhige Ecken laden zum Verweilen ein.
Hängepflanzen, Sträucher und sogar ganze (wenn auch kleine) Bäume sind im Lokal verteilt – und tragen zum ruhigen Ambiente bei. „Wir wollen kein Standard-Café, sondern einen Ort schaffen, der wie ein ruhiger Garten wirkt, in dem jeder für sich sein kann.“ Das Einzige, was noch fehlt: eine Tasse Kaffee. Und im No. 1986 gibt es den besten und stärksten Kaffee in ganz Hải Phòng. Heißt es.
Le House hat schon einige Projekte in Vietnam verwirklicht, stets mit Fokus auf Gastronomie- und Innenarchitektur. In jedem ihrer Konzepte spiegeln sich ihre charakteristischen Designelemente und die Liebe zur Veränderung wider. Mit dem Café No. 1986 gelingt es den Architekten, Vergangenheit und Zukunft raffiniert zu vereinen – und dabei ihrem ganz eigenen Stil treu zu bleiben. „Dieses Bauwerk erzählt seine eigene Geschichte“, so Le House. Es ist ein Café entstanden, das ebenso viele Geschichten zu erzählen hat, wie die Besuchenden, die hier für einige ruhige Minuten dem Alltag entfliehen möchten.
Text: Katarina Andraschko
Bilder: Hiroyuki Oki
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