Das Boutique-Resort „The Tiing“ an Balis Nordküste ist ein ungewöhnliches Juwel. Denn Architekt Nic Brunsdon überrascht hier mit einer puristischen Kombination von Bambus und Beton.
Bei der Lektüre der Gäste-Rezensionen macht sich Fernweh breit. Obwohl erst 2019 eröffnet, darf sich „The Tiing“ schon unzähliger Top-Bewertungen erfreuen. Dass die Anreise nach der Landung auf der Insel Bali weitere zweieinhalb Stunden dauert, tut der Begeisterung keinen Abbruch. Schließlich bekommt Besonderes geboten, wer die kurvenreiche Fahrt durch üppige balinesische Landschaft auf sich nimmt. Denn an der stillen Nordküste hat der australische Architekt Nic Brunsdon ein außergewöhnliches Projekt aus Bambus und Beton verwirklicht.
Was Brunsdon zu seinem ungewöhnlichen Konzept bewog, war unter anderem die Lage des Resorts. Einerseits musste es eine Anlage werden, die Gäste dazu lockt, das „The Tiing“ den deutlich bequemer erreichbaren Tourismuszentren an der Südküste vorzuziehen. Andererseits war es sinnvoll, in dieser Abgeschiedenheit auf traditionelle Materialien und Bautechniken zurückzugreifen. Der Neubau musste robust sein, aber auch zum kulturellen und lokalen Kontext passen. Obendrein galt es, vorhandene Ressourcen zu nützen und das spezielle Klima der Region zu beachten.
Robust und lokaltypisch
Mit Beton und Bambus zu bauen ist typisch für Bali. Beides gibt es reichlich auf der schönen, zu Indonesien gehörigen Insel im Indischen Ozean. So wurde vor Ort eine Reihe von Bambus-geformten Betonwänden errichtet, die optimale Bedingungen sowohl im Inneren, als auch zwischen den Einheiten schaffen. Und diese wurden so angelegt, dass sie die Schönheit der Berge und des Ozeans wie ein Rahmen hervorheben.
Dass ein sauberes Finish im tropischen Klima viel Erhaltungsarbeit nötig machen würde, lag auf der Hand. Deshalb wählte Nic Brunsdon einen anderen Zugang. Der Architekt plante die zu erwartende Verwitterung mit ein und machte sie zum Leitmotiv des „The Tiing“: Der natürliche Effekt der Wetterbedingungen, der die Gebäude verändert, trägt nun zum speziellen Charakter der Anlage bei.
Glatte Betonmauern und Holz wechseln sich ab. Und oft kommt Bambus als Betonverschalung ins Spiel. Die Patina unterstreicht Textur und Form des Bambus und sorgt für Harmonie mit der natürlichen Umgebung.
The walls shear out at the ends, reflecting the style of the portals typical of Bali. These portals are artfully decorated totems, which are meant to motivate eyes and mind to continue following the paths taken. In „Tiing“ they are architectural elements that act like funnels: they draw the gaze of the guests to both the sea and the mountains.
Die Mauern scheren an den Enden aus und spiegeln so den Stil der für Bali typischen Portale. Diese Tore sind kunstvoll verzierte Totems, die Augen und Geist motivieren sollen, beschrittene Wege weiter zu verfolgen. Im „Tiing“ sind sie architektonische Elemente, die wie Trichter wirken: Sie ziehen den Blick der Gäste sowohl aufs Meer, als auch auf die Berge.
Wir hielten es für essenziell, die Aufmerksamkeit auf beides zu lenken – als Teil des erdenden Reiseerlebnisses.
Nic Brunsdon
Als Kontrapunkt zum dichten, grünen Dschungel ringsum fügten Brunsdon und sein Team dem „The Tiing“ einen rot umrahmten Pool hinzu. Obwohl vom Zutrittsbereich aus nur teilweise sichtbar, wirkt das Becken auf Ankömmlinge nun wie das Energiezentrum der Anlage.
„Tiing“ als „Rahmen“ der Natur
Wir haben auf die Höhe des Geländes geachtet. Und darauf, wie sich das Wasser des Pools und des Ozeans im Verhältnis zum Horizont schichten würden.
Nic Brundson
Die Strategie, hier ein Projekt zu schaffen, das „Unerschrockene“ belohnt, werde durch den zentralen Pool unterstrichen. Anders gesagt: Wer sich die lange Anfahrt antut, darf tatsächlich Außergewöhnliches erwarten.
„The Tiing“ besteht aus sieben, jeweils zweistöckigen Blöcken. In jedem davon befinden sich zwei Suiten – eine ebenerdige und eine weitere im oberen Geschoss. Jede Einheit verfügt über ein Wohn- und Schlafzimmer und einen eigenen Mini-Pool.
Und jede bietet zwei konträre Ausblicke:
An einer Seite auf den Ozean und auf der anderen in den Dschungel.
Eine Besonderheit der ansonsten ungewohnt schmucklosen, geradlinigen Hotelanlage sind die runden Badezimmer, die im Mittelpunkt der Suiten liegen. Durch geschickte Staffelung der Gebäudestruktur hat Brunsdon diese Badezimmer zu speziellen Erholungsoasen gemacht: Jedes davon hat ein Deckenfenster, das Tageslicht in den isolierten Raum holt und freien Blick zum Himmel bietet.
Architekt Brunsdon, der für „The Tiing“ mit dem indonesischen Studio Manguning kooperierte, beschreibt sein Konzept als „rauen Regionalismus“.
Die Materialität zielt darauf ab, mit den entsprechenden Bautechniken und Ressourcen im lokalen Kontext und Klima zu arbeiten.
Komfort ohne „Schnörkel“
Wer Schlichtheit schätzt und lieber auf abgeschiedene, prachtvolle Natur fokussiert als Wert auf luxuriöses Hoteldesign zu legen, wird dieses Resort genießen. Statt Maximalismus und „smarten“ Technologien, mit denen andere neue Hotels zusehends punkten, regiert hier Minimalismus, der – obwohl höchst komfortabel – die Schönheit der Landschaft in den Mittelpunkt rückt.
In Sachen Service, Angebot und Kulinarik ist das „Tiing“ – den vielen Superlativen in den Bewertungen der bisherigen Gäste zufolge – jedenfalls spektakulär. Und die Idee, ganz auf Beton und Bambus zu setzen, verleiht der architektonisch außergewöhnlichen Anlage einen eigenwillig herben, verlockend erdigen Charme.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Ben Hosking für Brunsdon
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