Die Ausstellung „The 80s“ in der ALBERTINA MODERN präsentiert über 160 Arbeiten von KünstlerInnen, die nicht nur dieses Jahrzehnt bestimmten, sondern deren Schaffen weit in die Kunst des 21. Jahrhunderts vorausreicht.
Schrill und bunt
Die 1980er: Es ist das Zeitalter des (Neo-)Liberalismus, der nun endgültig in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft angekommen ist. Margaret Thatcher und Ronald Reagan regieren mit konservativen Kräften den anglo-amerikanischen Raum. Das Aufkommen der ersten PCs, von Videospielen, Globalisierung, der Öffnung der nationalen Grenzen und steigende Mobilität suggerieren eine Welt in relativer Harmonie. Kino-Besucherrekorde, technischer Fortschritt und die Verlockungen des Konsums versprechen eine rosige Zukunft. Auch vom Ende der Geschichte, einem saturierten, westlich dominierten Weltbild ist da und dort die Rede.
Und doch: Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist nur ein junges Menschenleben entfernt. Nach vorne drängt eine Generation, die genug vom Nachkriegsmuff hat. Eine Generation, der Wohlstand und Gemütlichkeit keineswegs genügen. Wer sich nicht zu sehr ablenken lässt, erkennt eine Welt im Ost-West-Konflikt, spürt den Druck der permanenten atomaren Aufrüstung oder ist durch die Friedensbewegung und die deutsche Wiedervereinigung geprägt.
We Are, 1985
Handgefärbte Schwarz-Weiß Fotodrucke
Collection Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg · Seoul © Gilbert & George / © Bildrecht, Wien 2021
Es ist ein Jahrzehnt der Rebellion, aus den Radios ertönt Elektromusik mit sinnlosen Texten, Wave und Punk zeigen der Gesellschaft offen ihren Unmut. Aus dem Untergrund erwächst eine Avantgarde, die experimentiert, in Frage stellt und einen Spiegel vorhält. Die Kunst der 1980er ist bunt und facettenreich. Sie kann alles sein, nur eines nicht: langweilig.
Hermaphrodite, 1985
Gouache auf hangeschöpftem Pondicherry-Papier
ALBERTINA, Wien – The JABLONKA Collection © Francesco Clemente
In den Achtzigerjahren wurde plötzlich alles möglich. Die großen gesellschaftlichen und politischen Umbrüche sind auch in der Kunst deutlich sichtbar. Künstlergruppen brechen mit dem festgefahrenen Kunstbetrieb, entthronen die Avantgarde: Die „Jungen Wilden“ entdecken die bildende Kunst neu und stellen – ebenso selbstbewusst wie gesellschaftlich engagiert – unter dem Begriff „Heftige Malerei“ aus.
The Thinker, 1986
Acryl auf Leinwand
Private Collection © The Estate of Jean-Michel Basquiat | Bildrecht, Wien 2021
Zelebrierung der Vielfalt
Nicht eine Geschichte, sondern viele kleine Erzählungen bestimmen die 1980er-Jahre. Vielfalt im Denken und Handeln, Wissen und Glauben haben Hochkonjunktur. Grenzerweiterungen in vielerlei Hinsicht und Vernetzung gehören zu den wesentlichen Kennzeichen dieser Zeit. Wie kaum ein anderes Jahrzehnt haben sich die Achtzigerjahre ins Gedächtnis derjenigen eingebrannt, die diese Dekade erlebten. Die schrillen Retrovisionen, die in zyklischen Abständen ein Revival erleben, begeistern aber auch heute noch jüngere Generationen. Nach den kargen Jahren von Konzeptkunst und Minimalismus äußern sich die Neuen Wilden nun auf bunte und vor allem auch sehr experimentelle Weise. Entdeckung und die Freude am Neuen stehen im Vordergrund. Ein Versuchslabor, das auch vor Kitsch und Pathos keinerlei Berührungsängste mitbringt. Mehr noch: Als sicheres Zeichen von Selbstreflektion, vielleicht auch als Augenzwinkern, wird der Finger dorthin gelegt, wo sich die massentauglich inszenierte Gesellschaft etwas zu ernst nimmt.
Sex and Death by Murder and Suicide, 1985
Neonröhren auf Aluminium
Emanuel Hoffmann-Stiftung, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel © Bruce Nauman/ Bildrecht, Wien, 2021
Foto: Bisig & Bayer, Basel
In der bildenden Kunst macht sich das „Anything Goes“ des anarchistisch denkenden Österreichers Paul Feyerabend durch stilistischen Reichtum bemerkbar. Der sogenannte Hunger nach Bildern, der diese Dekade einläutete und sich in den expressiven Gesten der Jungen Wilden auf großformatigen Leinwänden widerspiegelt, ist nur als Gegenbewegung zu den minimalistischen und konzeptuellen Strömungen der 1960er- und 1970er-Jahre verständlich.
Die Kunst wuchert, zeugt Triebe und Filiationen, bildet Knotenpunkte und Verästelungen,
schreibt der Herausgeber des damals angesagten Kunstmagazins
Wolkenkratzer Wolfgang Max Faust.
Nun steht Abstraktion neben greifbarer Figuration, Emotion neben rationaler Kühle. Die neuen Medien, das anbrechende digitale Zeitalter bringen eine neue Kunst der Chiffre, Fiktion und Kopie hervor.
Room with blue statue, 1986
Öl, Acryl und lichtempfindliches Leinen auf Leinwand
ALBERTINA, Wien – The ESSL © Bildrecht, Wien, 2021
Wiege der heutigen Kunst
Die 1980er-Jahren, die von Jeff Koons und Jenny Holzer über Jean-Michel Basquiat und Keith Haring bis zu Cindy Sherman und Richard Prince reichen, sind die Wiege der Kunst von heute. Fragen der Aneignung und der Autorschaft werden genauso diskutiert wie Kritik an der Konsumkultur.
Savor kindness because cruelty is always possible later 1983/1984
Sprühfarbe auf Leinwand, 269 x 324.5 x 2 cm
Untitled, 1983
Acryl auf Leder
Private Collection © Keith Haring Foundation | Courtesy of Martos Gallery
Das Oeuvre von österreichischen Kunstschaffenden wie Brigitte Kowanz und Erwin Wurm über Herbert Brandl und Maria Lassnig bis zu Franz West und Peter Kogler gliedert sich in der Ausstellung The 80s. mühelos in den Kanon eines internationalen Staraufgebots ein.
Untitled Film Still, 1980
Silbergelatinepapier
ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection © Cindy Sherman | Courtesy of the artist
Foto: Franz Schachinger
Vertreter sind u.a. Jean Michel Basquiat, Jeff Koons, Keith Haring, Robert Longo, Cindy Sherman, Sherrie Levine und Jenny Holzer. Ihre Kunst bezeichnet einen wichtigen Wendepunkt in der jüngeren Kunstgeschichte.
Alba’s Breakfast, 1984
Mischtechnik auf Papier, auf Leinwand aufgezogen
Bischofberger Collection, Männedorf-Zurich, Switzerland © The Estate of Jean-Michel Basquiat / Bildrecht, Wien 2021 © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Bildrecht, Vienna 2021 © Francesco Clemente
Aber nicht nur die Hauptvertreter der amerikanischen Picture Generation und der Approbiation Art zeigt die Ausstellung über die 80er-Jahre, sondern auch die wichtigsten Exponenten der italienischen Transavantgarde wie Francesco Clemente und Sandro Chia, und auch dem bis heute einflussreichen deutschen Beitrag dieses Jahrzehnts, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, sowie die wichtigsten österreichischen KünstlerInnen der 80er-Jahre, Brigitte Kowanz und Isolde Joham, daneben Brandl, Schmalix, Scheibl und Moosbacher.
Verso Damasco, 1981
Öl auf Leinwand
Bischofberger Collection, Männedorf-Zurich, Switzerland © Bildrecht, Wien 2021
1×8, 1988
Leuchtstofflampen, Fluoreszenzfarbe, Glas, Holz
ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner © Brigitte Kowanz
Foto © Stefan Altenburger
Als Hauptvertreter der Neuen Wilden, Rockenschaub und Peter Kogler als Vertreter des Neo Geo und der Installationskunst. Einzelfiguren wie Franz West, Erwin Wurm und Maria Lassnig werden eine herausragende Rolle spielen in diesem Überblick über das in seiner Bedeutung für die Gegenwartskunst gar nicht zu überschätzenden Jahrzehnt.
Ausstellungsdaten
THE 80s. Art of the Eighties
Dauer: 10. Oktober 2021 – 13. Februar 2022
Ausstellungsort: ALBERTINA MODERN | Karlsplatz 5 | 1010 Vienna
Kuratorin: Angela Stief
Assistenzkuratorin: Martina Denzler
Werke: 165
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