Den jährlichen Architektur-Wettbewerb für den hauseigenen Garten der National Gallery in Melbourne hat der Temple of Boom für sich entschieden – eine Hommage an den Parthenon in Athen.
Es hat schon etwas für sich, wenn man einen eigenen Garten hat – wie die National Gallery of Victoria (NGV) in Melbourne. In ebendiesem, dem Grollo Equiset Garden, ist seit November 2022 das aktuell ausgewählte Projekt der jährlichen NGV Architecture Commission zu sehen; eines Wettbewerbs, der sich an australische Architektur-Büros richtet und diese einlädt, ortsspezifische, temporäre Werke zu kreieren.
Kleiner Parthenon
Das Siegerprojekt 2022 stammt von den in Melbourne ansässigen Architekten Adam Newman und Kelvin Tsang. Sie haben im Garten des Museums den Temple of Boom geschaffen, eine kleinere Version des berühmten Parthenon auf der Athener Akropolis, der mit farbenfroher Malerei versehen wurde.
Diese stammt von der Melbourner Künstlerin Manda Lane sowie deren Kollegen David Lee Pereira und Drez, die dem antiken Bauwerk damit weitere Bedeutungsebenen verleihen. „Sie ließen sich von den lebendigen Farben und reichen künstlerischen Verzierungen inspirieren, die das ursprüngliche Gebäude ausmachten“, so die NGV dazu.
Während Lane und Pereira Blumen- bzw. Pflanzenmotive schufen, bemalte Drez die dorischen Säulen. Seine Opt-Art bietet beim Betrachten stets neue Perspektiven und verleiht dem Tempel zudem die Optik eines computergenerierten Renderings. Die Arbeiten der drei Kunstschaffenden sind übrigens nicht abgeschlossen: Sie werden ihre Kunstwerke laufend bis zum Ende des Projekts im Oktober 2023 überarbeiten.
Temple of Boom: Name ist Programm
Mit der Entscheidung der Jury für den Temple of Boom wolle man das Publikum auf die Auswirkung der Zeit auf die gesamte Architektur aufmerksam machen. „Durch die Darstellung dieser Auswirkungen zeigt das Projekt, dass sich Perspektiven auf Gebäude und Identitäten weiterentwickeln und verändern können. Temple of Boom feiert den ständigen kulturellen Wandel und versucht gleichzeitig, unser Verständnis des Parthenon als dauerhaften architektonischen und kulturellen Leuchtturm zu erweitern“, erklärt die National Gallery.
Auch der Name des Projekts ist Programm: Er nimmt Bezug auf „musikalische Schwingungen und ist als Treffpunkt und Veranstaltungsort im Freien für ein vielfältiges Programm von NGV-kuratierten Aufführungen und Live-Musik während der Sommerzeit gedacht“, heißt es seitens des Museums.
Die Sitzende im Zentrum
Adam Newman und Kelvin Tsang vom lokalen Studio NWMN haben ihren Tempel aus Glasfiberbeton rund um die Bronzeskulptur Die Sitzende des Bildhauers Henry Moore errichtet, die seit Jahrzehnten im Grollo Equiset Garden ausgestellt ist. Der Temple of Boom selbst misst in etwa ein Drittel des Originals in Athen. Diesen habe man als Objekt gewählt, so die Architekten, weil er „ein starkes Symbol westlicher Zivilisation, Demokratie und Perfektion“ sei.
Nachdenken erwünscht
Mit der Hommage wolle man zum Nachdenken darüber anregen, wie Architektur geschaffen, wie ihr Bedeutung verliehen wird. Und wie sich diese Bedeutung über Zeiträume und Kulturen hinweg verändern kann. Ein geplantes Virtual-Reality-Event im Rahmen des Projekts wird es Teilnehmenden zudem ermöglichen, den eigentlichen Parthenon virtuell zu erkunden.
Temple of Boom ist das bereits siebente Projekt der NGV Architecture Commission. Seine Vorgänger waren unter anderem der In-Absence-Pavillon von Edition Office im Jahr 2020 oder der nebelgefüllte Doubleground, der 2018 von Muir und Openwork entworfen wurde.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Sean Fennessy
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