organic glamour

Food Design Photos: michaelbennett.de

Interview by Nina Prehofer

DIE HAMBURGERIN TELSE BUS IST FOOD DESIGNERIN DER ERSTEN STUNDE.

Telse Bus fragt sich: „Wie kommt das Essen in den Mund?“ oder „Welche Geschichten will man seinen Gästen über sein Hotel und den Ort erzählen?“ Und sie ist überzeugt: Was einmal in einem drinnen war, vergisst man so schnell nicht mehr.


Was ist Food Design und was macht eine Food Designerin?

Telse Bus: Im Bereich Food Design gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Jedes Eskimo-Eis ist designt. Das ist aber nicht das, was ich mache.

Ich kreiere Botschaften in Form von Kulinarik.

Telse Bus

Telse Bus: Meine Gestaltungsparameter haben immer damit zu tun, wie ich eine Botschaft von meinem Kunden in Kulinarik umsetze. Ich würde es „form follows storytelling“ nennen. Ob Marke, Hotel oder Ort – ich transformiere die Botschaft synästhetisch und übersetze sie in Aromen, Texturen, Farben und Choreografie. Food Design, wie ich es verstehe, ist vor allem Kommunikationsdesign. Es geht darum, mit „Material“ Geschichten zu erzählen, mit dem Ziel, Gästen oder Kunden etwas zu vermitteln.

Telse Bus, Foto: Cecil Arp

Wie sind Sie Food Designerin geworden?

Telse Bus: Ich war an der Kunsthochschule in Hamburg für bildende Kunst eingeschrieben. Dort habe ich mich in vielem geübt: Messebau und Ladengestaltung, Bühnenbild, Industriedesign und Malerei. Ich mag die Verbindung aus Geschichten und Material, aber ich wollte keine Dinge, die sich anhäufen. Dann habe ich ein Schamanenseminar bei einem Kunstprofessor besucht. Im Schamanismus geht es um die Transformation von Gefühlen in Material. Diese Transformation von Nichtmateriellem in Materielles und dann wieder zurück war für mich der Initialfunken meiner Arbeit mit Essen. Alle Menschen essen und Essen löst sich beim Essen logischerweise auf. Ich male also Bilder im Herzen und Kopf von Gästen und es bleibt nichts übrig. Das hat mir gefallen.

Wann kam die Markeninszenierung?

Telse Bus: Erst habe ich einen Disko-Imbiss auf St. Pauli gemacht, den „kochsalon“. Dort ging es um „Essen im Rahmen von Popkultur“ und die Köche waren die DJs. Sie hatten ihre Foodsets und wir machten Foodevents wie „Burger für Bürger“ mit Rocko Schamoni und dem Maler 4000. Das war 1997. Einige Jahre später entstand die Cateringfirma „the Foodists“. Wir haben damals sehr international gearbeitet – für Louis Vuitton in Berlin, wo wir ein Foodset zu Vanessa Beecroft inszeniert haben, über London für Dunhill, wo es um „Essence“, also Essenzen ging, bis hin zu Schweden, wo wir Kautabak inszenierten. Wir haben aber auch für Hennessy moderne Foodpairings entwickelt oder für das Magazin „Monopol“ einen Kunstkiosk auf der Art Berlin gemacht.

Fotos: telsebus.com

Mit welchen Produkten arbeiten Sie am liebsten?

Ich bin ein Fan von pflanzlichen Produkten und habe das pflanzenbasierte Gastronomiekonzept „Organic Glamour“ entwickelt.

Telse Bus

Telse Bus: afür habe ich mich intensiv mit der Physik und der Biologie der Pflanzen beschäftigt. Ich arbeite sehr methodenbasiert und nicht nach Rezepten. Dabei baue ich meine Foodsets wie Bilder auf: Die Grundkonzeption hat eine Basis, die auf dem Warenkorb beruht. Dazu kommt dann etwas Bröckeliges, Stückeliges oder Glattes. Interpunktiert wird das durch kleine Details, die den Geschmackssinn süß, salzig, bitter, scharf, sauer und umami bespielen. Ergänzt wird mit etwas Kaltem und Warmem. Gerade mit Pflanzen kann man sich so etwas wie einen Malkasten kreieren. Die nordische Küche hat eine tolle neue Perspektive eingebracht, denn sie bildet die Natur ab, wie sie stattfindet. Es werden heute Produkte verkocht, die man früher gar nicht essen konnte, da man sie nicht zu garen wusste. Bei Bocuse war das wie bei einem zu engen Kleid, in dem man sich zu bewegen versucht. Die nordische Küche ist quasi der coole moderne Designer-Jogger, könnte man sagen.

Photos: michaelbennett.de

Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Telse Bus: Von meiner Umgebung! Meist gehe ich mit meinem Hund spazieren, da kann ich am besten denken. Kunden sage ich gern im Scherz: „Achtung, ich komme aus der Kunsthochschule!“ Ich übersetze emotional wie ein expressionistischer Maler, also eher frei. Ich versuche immer, die Gefühle der Menschen zu einem Produkt oder der Marke zu spüren und das abzubilden. Meine Arbeit gibt einem die Möglichkeit, eine Marke im wahrsten Sinne des Wortes zu verinnerlichen. Und alles, was man einmal in sich drinnen hatte, ist besser verankert als wenn man es nur angeschaut hätte.

Wie stark geht es bei Ihrer Arbeit um Sinnlichkeit?

Telse Bus: Ehrlich gesagt, sie baut zu 100 Prozent auf Sinnlichkeit auf. Das unterscheidet mich von industriellen Food Designern.

Photos: telsebus.com

Wann rührt ein Essen die Gefühle und reizt die Sinne?

Telse Bus: Als Kulinarikerin arbeite ich an den Augen und am Mund, das sind die Tore, die man überwinden muss. Für mich ist es immer wichtig, dass alle Faktoren zusammenpassen: der „Look“ der Speisen der „flow“, also die Choreografie und der „taste“, wie es schmeckt und sich im Mund anfühlt. Deswegen arbeite ich nur mit sehr guten Köchen zusammen. Es geht mir um das Gesamterlebnis.

Was spricht Ihrer Erfahrung nach Menschen an?

Telse Bus: Die Liebe. Ich glaube, Menschen spüren, wenn etwas mit Liebe gemacht ist. Fütterung schafft Vertrauen. Nach atmen und Sex ist essen wohl das Demokratischste, was wir jeden Tag tun.

Was gefällt Ihnen an der Markenarbeit?

Telse Bus: Ich mag Marken, das sind künstliche Personen, da kann man kreativ sein und ihnen kulinarische Charaktereigenschaften geben. Es macht mir Spaß, ihr Botschaften zu übersetzen.

Wie sieht es in der Hotellerie aus?

Telse Bus: Das Zusammenspiel von Produkt, also Hotel und Ort, und Präsentation ist sehr wichtig geworden. Die heutigen Gäste sind informiert und haben immer höhere Erwartungen. Je nach Zielgruppe muss man untersuchen, womit man sie noch oder immer wieder begeistern kann. Gerade in der Hotellerie ist das Erlebnis so wichtig. Welche Geschichten will man seinen Gästen über das Hotel, den Ort oder die Region erzählen? Ich bin überzeugt, die Gäste wollen erleben und schmecken, wo sie sind. Hotels sollten mutig sein und Erlebnisse für ihre Gäste schaffen, die sie von anderen unterscheiden anstatt nachzumachen, was alle machen. Authentizität ist wichtig!

Ein Tipp von Ihnen?

Telse Bus: Das Essen modularer aufbauen und Pflanzliches und Tierisches stärker voneinander trennen. So kann der Kunde modular bestellen und es wäre effizienter und ressourcenschonender.

Wie können Hotels von Ihnen profitieren?

Telse Bus: Ich versuche, die Lücke zwischen dem Eigentümer und dem Koch zu schließen. Ich verdichte die Aussage des Hotels und der Gegend. Ich erzähle ihre Geschichte und mache sie zum Erlebnis. Man kann über Kulinarik Gefühle inszenieren und Rituale schaffen. Keine Anzeige für das Hotel kann leisten, was man über ein Kulinarikerlebnis erreichen kann. Auch interessant, gerade in der Saison- Hotellerie: Foodkonzepte machen die Hotels vom Koch unabhängiger.

Eine Frage noch: Können Sie kochen?

Telse Bus: Ja! Tatsächlich glaube ich sogar, dass ich theoretisch besser kochen kann als viele Köche. Aber ich arbeite wie andere Designer auch: Idee und Dummy kommen


Telse Bus, Photo: Cecil Arp

TELSE BUS
Ihre Liebe zur künstlerischen Arbeit mit Essen begann in ihrer Studienzeit 1994 an der HfBK Hamburg. Seit 2009 arbeitet sie als freiberufliche Konzepterin und Designerin in den Bereichen Brand- & PREvents, Gastronomie & Hotellerie sowie für Fotoproduktionen. Ihre Arbeit hilft, die Kernaussage von globalen Brands zum Konsumenten zu bringen.

telsebus.com