Im chinesischen Chengdu haben UNO Architects mit dem Qionglai Bamboo Pavilion einen Wald im Wald geschaffen. Einen Bambuswald, in dem man entspannen, sich weiterbilden und sogar tanzen kann.
Bambus ist in Asien mehr als nur eine Pflanze. Er symbolisiert in der traditionellen fernöstlichen Kultur einerseits Schönheit, Stärke, Langlebigkeit, Widerstandskraft. Andererseits steht er für Loyalität, für Demut, für Integrität.
Aufgrund seiner Eigenschaften hat er auch als Rohstoff eine enorme Bedeutung. Und bildet mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten die Lebensgrundlage unzähliger Menschen. So meinte der chinesische Dichter Su Dongpo aus der Song-Dynastie einst: „Es ist besser, kein Fleisch zu essen, als keinen Bambus zum leben zu haben“.
Harmonie von Mensch und Natur
Der Bedeutung des Bambus trägt UNO Architects definitiv Rechnung. In Zusammenarbeit mit Lin Rong Studio, SWJTU, entwarf man den Bamboo Pavilion in Qionglai, einem Vorort der Millionenstadt Chengdu. Hier, in einer der rund um die Metropole gelegenen ländlichen Gemeinden, sogenannten Linpan-Siedlungen, wird seit Jahrtausenden traditionelle landwirtschaftlicher Praxis und Kultur gelebt.
„Meist im Wald, vor allem Bambuswald, eingebettet, sind Linpan eine organische Kombination aus Wäldern, Feldern, Häusern und Wasser, in der sich die harmonische Beziehung zwischen Land und Mensch widerspiegelt“, erläutert das Architekturbüro. Nirgendwo sonst wäre ihr Pavillon daher besser platziert als hier: Am nördlichen Ende der Baimo-Flussbrücke neben einem über 100.000 Hektar großen Bambuswald.
Qionglai Bamboo Pavilion: Neue Perspektiven
„Spricht man über die Schönheit von Bambuswäldern, denkt man oft an einen verschlungenen Pfad, der tief in den Wald führt“, so UNO Architects. „Wir versuchen, es aus einer anderen Perspektive zu sehen: Endlose Bambuswälder legen sich über die sanft geschwungene Landschaft wie Meereswellen. Unser Design will diesen Moment einfangen, will die von Mutter Natur so elegant kreierten Formen definieren und die Struktur des benachbarten Bambuswaldes zum Ausdruck zu bringen.“
Das Gebäude liegt zwischen dem Fluss, der Brücke und einem Dorf. Zwei Dächer erheben sich wellenförmig geschwungen in entgegengesetzte Richtungen. Eines zeigt zum Dorfeingang und heißt so Gäste aus aller Welt willkommen. Das andere weist auf den Bambuswald und symbolisiert den Beginn einer weiteren Reise. Im dazwischen liegenden Innenhof können bei Bedarf Ausstellungen im Freien stattfinden; der Platz steht zudem den Einheimischen als Tanzfläche zur Verfügung.
Waldspaziergang
Alle Materialien und Produkte für den Innenausbau stammen aus den umliegenden Gemeinden. Aufgrund der Größe des lokalen Bambus konnte dieser nicht für die Hauptstruktur verwendet werden. „Wir haben dafür eine Struktur aus gebündeltem Bambus entworfen, der jenem ähnelt, den Einheimische im eigenen Garten finden können“, so die Architekten.
Durch die Reflexion in der Glasfassade verstärkt, entsteht das Gefühl, im Bambuswald spazieren zu gehen. Die gebündelten Stämme streben an der Oberseite auseinander, um als Stützen der Dächer fungieren zu können. Die großen Traufen wiederum stellen die Verbindung von traditionellen Wohnhäusern und dem Bambuswald dar.
Bildung, Tanz, Erholung
UNO Architects definierte drei „Identitäten“ für den Qionglai Bamboo Pavilion: „Erstens wird er ein Besucherzentrum für das Bambuswald-Landschaftsschutzgebiet, in dem man auf schnellem Weg und in Ausstellungen etwas über die atemberaubende Naturschönheit erfahren kann. Zweitens werden Workshops zum immateriellen Kulturerbe veranstaltet, in denen lokale, seit Generationen existierende, Bambus-Handwerkskunst gezeigt wird.
Zu guter Letzt ist der Pavillon ein Dorfzentrum für die Anwohner, in dem Platz für verschiedene Aktivitäten, von reiner Entspannung über das Tanzen bis hin zu öffentlichen Versammlungen, ist.“
Für UNO Architects ist der Bambuspavillon nicht nur ein Ort, der die Schönheit der Natur und jene der Architektur repräsentiert. „Er bewahrt sowohl kollektive Erinnerungen als auch kulturelles Erbe. Das Wichtigste aber: Er heißt Besucherinnen und Besucher aus aller Welt willkommen und schafft eine Verbindung mit den Einwohnern und ihrer Kultur. Hier werden Menschen zusammengebracht.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Arch-exist Photography
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