Querkraft Architekten aus Wien sind die Macher des österreichischen Expo-pavillons in Dubai. Wir sprechen mit querkraft-Inhaber und-Partner Gerd Erhartt darüber, was eine erfolgreiche Inszenierung bei der Expo ausmacht, Klima Konzepte der Zukunft und welch große Bedeutung emotionale Bindung dabei spielt, die Zukunft nachhaltiger zu gestalten.
Was erwartet einen im österreichischen Expo-Pavillon?
Gerd Erhartt: In erster Linie ein sinnliches Erlebnis. Das wird wahrscheinlich einen relativ großen Unterschied zu den anderen Pavillons machen. Das von uns gestaltete räumliche Erlebnis, wird noch mal unterstützt von den Installationen, entwickelt von ars electronica solutions und kuratiert vom Büro Wien mit einer grafischen Umsetzung durch das Büro Bleed.
Was macht also Ihr architektonisches Konzept aus und warum unterscheidet es sich so stark von den anderen?
Die Expo ist ein Wettlauf um Aufmerksamkeit. Wir sind davon überzeugt, dass man Aufmerksamkeit nur durch Reduktion erreichen kann, denn ansonsten ist man nur ein Teil von dem, was auf der Expo allgemein passiert: Reizüberflutung und unglaublich viel Information. Für uns als Architekten ist es wichtig, konkret auf den Ort einzugehen, und da dies die erste Expo im arabischen Raum ist, haben wir uns mit traditioneller arabischer Architektur auseinandergesetzt. Dabei sind wir auf den Bādgir gestoßen. Das sind Windtürme, die im Gebäude Druck- und Sogsituationen herstellen, sodass mittels Kamineffekt eine ständige Luftzirkulation vorhanden ist. Dieses Prinzip haben wir in eine andere Architektursprache übersetzt und mit österreichischem Know-how und Climate Engineering kombiniert. Wir wollten einen Beitrag zur allgemeinen Debatte, wie man Ressourcen und Energie schonend planen und bauen kann, leisten.
Bei welchen Hebeln setzt man an?
Es gibt zwei Aspekte beim Bauen, bei denen man ansetzen kann: einmal die Errichtung eines Gebäudes und dessen Betrieb. 50 % der schädlichen Emissionen entstehen bereits bei der Errichtung eines Gebäudes, also muss das erste Ziel sein, Gebäude mit möglichst langer Lebensdauer zu errichten. Im Betrieb ist das Ziel, dass es möglichst wenig Energie benötigt. Für uns ist vor allem der Aspekt der Lebensdauer wichtig, denn da geht es um die emotionale Nachhaltigkeit. Wir müssen Gebäude, überhaupt Produkte, erzeugen, zu denen wir eine persönliche und emotionale Bindung aufbauen können.
Welchen Unterschied macht die emotionale Bindung?
Wenn wir emotionale Bindung aufbauen und das Produkt liebgewinnen, dann werden wir es auch möglichst lange nutzen. Das betrifft natürlich in ganz besonderem Maße unsere Gebäude, weil in ihnen enorm viel Energie durch die Errichtung gespeichert ist. Hätten wir nicht einen Pavillon kreiert, der bei den Menschen Emotionen auslöst, dann hätten wir auch nicht die Möglichkeit gehabt, den Pavillon einer Nachnutzung zuzuführen. Also ist er so konstruiert, dass er in Fertigteilen, in einzelnen Elementen produziert ist, damit er dann wieder zerlegt und irgendwo anders zusammengebaut werden kann. Wie bei einem Lego-Bausatz, kann er in vollkommen unterschiedlicher Art und Weise wieder zusammengestellt und auch den neuen Nutzungen entsprechend angepasst werden. Denn: Eines der unökologischsten Dinge wäre, ein Gebäude für sechs Monate zu errichten und dann wieder zu zerstören.
Was macht den Pavillon abseits der Nachnutzung ökologisch?
Wir haben mit dem Ingenieurbüro P. Jung ein Climate Engineering entwickelt, das darauf abzielt, die natürliche Aerodynamik auszunutzen. In den Kegeln, aus denen der Pavillon besteht, sind immer unterschiedliche Sog- und Druckwirkungen vorhanden, womit sich eine natürliche Konvektion einstellt. Der Pavillon reguliert sich hauptsächlich über den Unterschied von Tag und Nacht. Die kühlere Luft in der Nacht wird in der Speichermasse eingelagert und über den Tag wieder abgegeben. Dieser Tag-Nacht- Rhythmus ist das Zentrum unseres Klimakonzeptes, in dem wir uns die Temperaturdifferenzen zunutze machen.
Die 38 Kegel, aus denen der Pavillon besteht, sind miteinander verschnitten. Welcher Effekt wurde damit erzielt?
Das ist ein wichtiges Gestaltungselement, denn durch das Verschneiden entsteht eine Säulenhalle, vergleichbar mit einer arabischen Meskita. Zusätzlich werden die Kegel in vier verschiedenen Höhen abgeschnitten, dadurch entstehen unterschiedliche Lichtstimmungen, die sich je nach Sonnenstand in ständiger Veränderung befinden. Intensive Bepflanzungen, Sprühnebel und natürliche Konvektion sorgen für eine angenehme Aufenthaltsqualität.
Woraus sind die Fertigteile gemacht?
Der Pavillon ist aus Betonfertigteilschalen, wie bei einem Lego-Bausatz, errichtet. Er kann wieder demontiert und an einem anderen Ort, an die veränderten Bedürfnisse angepasst, neu aufgebaut werden. Verputzt wird er innen mit einer Lehmschicht, die eine wichtige klimatische Funktion besitzt.
Der Titel des Projekts lautet „Austria makes Sense“. Wie oder wann ergibt Österreich Sinn?
Dieser Titel ist in seiner Doppeldeutigkeit zu lesen, weil wir einen Pavillon kreiert haben, der alle menschlichen Sinne anspricht. Architektur und Ausstellung ergeben ein sinnliches Gesamterlebnis. Zum Beispiel gibt es im gesamten Hauptausstellungsraum keinen einzigen Text. Wir arbeiten mit Grafiken und Icons und die Installationen erschließen sich von selbst. Sie sprechen die Sinne an. Da werden Cones zu Klangkörpern oder Luftströmungen durch Simulationen sichtbar gemacht. Der Pavillon zielt auf ein sinnliches Erlebnis ab, weil wir der Überzeugung sind, dass bei dieser ganzen Reizüberflutung, die auf dem Expo-Gelände stattfindet, letztendlich nur eine starke Emotion im Gedächtnis bleiben wird.
Wie wichtig ist für Sie als Architekten eine Sinnfrage generell?
Die Sinnfrage ist für uns essenziell. Die gesamte Bauwirtschaft ist für 30 bis 40 % der schädlichen CO₂-Emissionen verantwortlich, also muss ich mir bei jeder Bauaufgabe die Sinnfrage stellen. Die erste lautet: Ist es sinnvoll, dieses Gebäude zu errichten? Es gibt Bauaufgaben, wie den geförderten Wohnbau, Kultur- und Bildungsbauten, da ist diese Frage einfacher zu klären. Möglichst qualitätsvollen Wohnbau zu schaffen, ist eine sehr sinnstiftende Aufgabe und befriedigt das Grundbedürfnis der Menschen. Das ist bei einer Expo problematischer.
Warum haben Sie dann trotzdem mitgemacht?
Nach eingehender Überlegung haben wir uns entschieden, mitzumachen, weil die Expo eine Gelegenheit ist, viele Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten zu erreichen. Diese Gelegenheit bietet sich nur selten. Wir wollten einen Diskussionsbeitrag zu einem klimagerechten, ressourcenschonenden Umgang mit unserem Planeten leisten. Der Pavillon wird in den unterschiedlichsten Foren sehr stark wahrgenommen und diskutiert.
Welchen Anteil haben Architekten oder die Architektur an der Gestaltung der Zukunft und welchen Anteil möchten Sie persönlich bzw. als querkraft daran haben?
Wenn wir auf unsere Lebenszeit schauen, dann verbringen wir sie hauptsächlich in architektonisch gestalteten Außen oder Innenräumen. Das heißt, dass wir Architekten einen enormen Einfluss auf den Menschen haben und in hohem Maß sein Lebensgefühl prägen. Auch wenn wir die finanziellen Aspekte heranziehen, wird deutlich, dass wir unser privates Vermögen zu einem Großteil für unseren Lebensraum ausgeben. Architektur hat also einen enormen Einfluss auf das Leben des Menschen. Mit unserer Arbeit wollen wir einen positiven Beitrag für die Lebensqualität der Menschen liefern. Der Aspekt, dabei schonend mit den Ressourcen und unserer Umwelt umzugehen, wird immer wichtiger.
Was kann man aus der Architektur über Menschen und die Gesellschaft herauslesen?
Man kann die Machtverhältnisse einer Gesellschaft sehr gut ablesen. Banken-, Versicherungs- oder Telekomgebäude sind meist Glaspaläste. Im Vergleich zum sozialen Wohnbau, wo man für jedes bisschen Mehr an Fensterfläche großen Einsatz zeigen muss. Daran sieht man ganz gut, wo das Geld verteilt ist und wo nicht. Aber ich bin dennoch immer positiv gestimmt und überzeugt, dass ein Paradigmenwechsel notwendig ist. Bereits vor 50 Jahren wurde grenzenloses Wachstum infrage gestellt. Ich meine, wir brauchen ein anderes Wachstum als das wirtschaftliche. Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als unser Leben umzustellen. Das ist für mich aber kein negatives Szenario, ganz im Gegenteil, es wird einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten.
Was würden Sie in Zukunft noch gerne kreieren?
Ich würde mir wünschen, dass sich in unserer Gesellschaft der Gedanke etabliert, dass wir jetzt Grundlagen für spätere Generationen schaffen. Dass alle, die in einen Bauprozess involviert sind, sich dieser Verantwortung bewusst sind und demgemäß handeln und nicht den kurzfristigen Profit suchen. Das betrifft allerdings nicht nur das Bauen, sondern jeden Lebensbereich. Wenn wir so wirtschaften würden, dann würde sich die Welt zu einer besseren entwickeln.
Photos: www.andreas keller-fotografie.de, querkraft-alvarez, querkraft architects
Über Querkraft Architekten
Einem poetischen Pragmatismus folgend, widmet sich das 1998 gegründete Architekturbüro Projekten und Prozessen, in deren Mittelpunkt stets der Mensch steht. Für die erfolgreiche Zusammenarbeit des Teams aus rund 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen über 100 Projekte, Wettbewerbe und Bauten im In- und Ausland. Als Leitmotiv definiert querkraft „den Menschen Raum geben“ und formuliert damit das permanente Streben nach Großzügigkeit in der räumlichen Gestaltung sowie nach Freiheit zur Entfaltung für die Nutzer, zur Schaffung emotional nachhaltiger Projekte.
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