Eigentlich setzt sich Industry of All Nations dafür ein, Produktionsmethoden für Konsumgüter neu zu denken. Doch jetzt hat das Design- und Entwicklungsbüro „The Landing House“ realisiert, einen Holzpavillon im Joshua Tree National Park. Der Kernvision blieb man dabei aber treu.
Von handgestrickten Alpakapullovern aus Bolivien bis hin zu Flipflops aus Bali – Industry of All Nations (IOAN) bringt seit April 2010 die Herstellung von Konsum- und Alltagsgütern zurück in jene Regionen, aus denen die Produkte und Materialien ursprünglich stammen. „Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften auf der ganzen Welt wollen wir den Produkten die Kultur und den Menschen die Macht zurückgeben und einzigartigen Unternehmen auf dem internationalen Markt etablieren. Wir suchen dafür rund um den Globus nach ikonischen Gütern mit unveränderter Identität und kreieren neue Designs durch traditionelle und innovative industrielle Prozesse, während gleichzeitig Umwelt- und Sozialbewusstsein, fairer Handel und offene Grenzen für alle Nationen gefördert werden“, erklärt Marken-Gründer Fernando Gerscovich. „Unsere Kernvision dreht sich um den Prozess, Dinge auf wirklich nachhaltige Weise zu schaffen.“
Zeit für eine Visionserweiterung
Jetzt hat das Forschungs-, Design- und Entwicklungsbüro aus Los Angeles, das sich bislang vor allem auf nachhaltige Mode und Möbel konzentrierte, seine Version erweitert und ein Gebäude realisiert: The Landing House. Das kommt nicht von ungefähr. Denn IOAN-Chef Fernando Gerscovich, der ursprünglich aus Buenos Aires stammt, ist auch Architekt. Gemeinsam mit seinen Brüdern Juan Diego und Patricio hat er The Landing House als komfortables, aber integriertes Refugium entworfen. Denn der moderne Holzpavillon steht in der sensiblen Naturlandschaft der Mojave-Wüste inmitten des kalifornischen Joshua Tree National Parks.
Friedliche Koexistenz
Als die Gebrüder Gerscovich die Region im Jahr 2019 erstmals besuchten, waren sie gleichsam beeindruckt wie kreativ inspiriert von den natürlichen Gegebenheiten, der fast schon unwirklichen Landschaft und dem besonderen Licht in der Wüste. Das Land war mit ikonischen Joshua Trees (eine Pflanzenart aus der Gattung der Palmlilien), bizarren Felsformationen und majestätischen Aussichten gesegnet, die das Gefühl vermittelten, sich in einem Nationalpark innerhalb eines Nationalparks zu befinden. Hier, das war binnen kürzester Zeit entschieden, wollten sie ihre Vision eines Rückzugsortes verwirklichen – in friedlicher Koexistenz mit der Umwelt.
Sensibles Bauprojekt
Die Brüder erwarben ein fünf Hektar großes Grundstück und begannen mit der Planung. Für sie war klar, dass nur architektonische Techniken zur Anwendung kommen sollten, die die natürliche Umgebung so wenig wie möglich beinträchtigen. „Die Landschaft ist rau. Es kann Jahrzehnte dauern, bis sich eine Pflanze oder ein Baum erholt hat, wenn sie einmal aus ihrem empfindlichen Ökosystem verdrängt wurden“, erklärt Fernando Gerscovich. „Daher konzentrierten wir uns auf einen Entwurf, der die umliegenden Pflanzen und die natürliche Geografie des Geländes nicht stört.“
Fernab der Welt
The Landing House liegt nur rund 130 Meilen östlich vom pulsierenden Zentrum der Metropole Los Angeles und nur wenige Minuten vom Eingang des Joshua Tree National Parks entfernt. Und doch scheint das Gebäude Welten vom Alltagsstress und den Herausforderungen und Problemen der heutigen Gesellschaft entfernt zu sein. Der Dank dafür gebührt seinem Design: Kaum neun Fuß, das sind knapp 2,80 Meter, erhebt sich das Gebäude über den Wüstenboden. Das Haus fügt sich dabei meisterhaft in das Layout, die Texturen und sogar die Farbpalette der Wüstenlandschaft ein. Durch seine unaufdringliche horizontale Form ist es in das bestehende Gelände integriert und ergänzt die natürliche Umgebung.
Allein mit der Natur
Hinter einer horizontalen Mauer verborgen, die das Haus vollständig verdeckt, ist The Landing House ein auf Privatsphäre und Ruhe ausgelegtes Refugium. Ein strategisch gepflanzter Yucca-Baum heißt Bewohner:innen wie Gäste willkommen und markiert den geschickt versteckten Eingang. Von einem Treppenabsatz aus, der die beiden Volumen des Wohnbereichs voneinander trennt, erhält man erste Einblicke in das Haus. Geradeaus öffnet sich ein Innenhof, im Hintergrund liegt ein Tauchbecken, eingerahmt vom Panorama der Mojave-Wüste. „Es ist eine subtile Art und Weise, die Menschen dazu zu ermutigen, nach draußen zu gehen, in die Natur, während sie sich durch das Haus bewegen“, sagt Gerscovich.
Draußen wohnen
Bis hin zum Tauchbecken erstreckt sich eine Betonplattform. Ihre monolithisch-geometrische Form mag zunächst wenig passend wirken. Doch ist sie perfekt konzipiert – für besinnliche Abende mit Blick auf die weite Schönheit des Joshua Tree National Parks. Noch spiritueller ist nur der skulpturale Yoga-„Landplatz“, der vom Innenhof aus nicht zu sehen ist: Er bietet die Bühne für Zen-Momente. Umrahmt mit oxidiertem, massivem Stahl und gefüllt mit verdichtetem Wüstenboden, ist er völlig in die natürliche Landschaft integriert und macht den natürlichen Felsformation optisch keine Konkurrenz. Linker Hand findet sich zudem eine Feuerstelle, die von Hand in einen an Ort und Stelle belassenen Steinblock gehauen wurde. Profan wird es nur rechts: Hier steht der Carport, den es bei der abgeschiedenen Lage nun mal braucht und der die Fahrzeuge vor der heißen Wüstensonne schützt. Immerhin macht er sich doppelt nützlich: Sein Solardach liefert Strom.
Ein Haus, zwei Suiten
Drinnen besteht der Grundriss aus zwei Flügeln, die durch einen Windfang verbunden sind. Auf der einen Seite befinden sich ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Arbeitsbereich sowie ein Schlafzimmer mit einem runden Fenster. Auf der anderen Seite des Durchgangs kommt man in zweites Schlafzimmer, die so genannte Pool Suite, die etwa ein Drittel des Hauses einnimmt. Gemein ist allen Innenräumen, dass sie mit Zedernholz verkleidet sind, man schreitet über leicht polierte Betonböden und nimmt auf sorgfältig entworfenen Möbeln aus Weißeiche Platz. „Wir wählten sehr einfache, wartungsarme Materialien wie Beton, Zedernholz und Glas, die in der Umgebung natürlich altern werden“, sagt Gerscovich. Den. Blick auf eben jene Umgebung geben deckenhohe Glasschiebetüren frei, zudem hat man von allen Bereichen Zugang zum Tauchbecken im Innenhof.
Rast im Ast
Es ist dieses durchdachte Gleichgewicht zwischen natürlichen Materialien und modernen Annehmlichkeiten, die den besonderen Charme von The Landing House ausmachen. Gäste aus der ganzen Welt, die The Landing House inzwischen zum Beispiel über Plattformen wie airbnb oder Homestead Modern als Ferienunterkunft mieten können, schätzen das Refugium aber vor allem für die absolute Privatsphäre. Von der 400 Meter langen Privatstraße, die zum Haus führt, ist es erst auf dem letzten Teilstück der Anfahrt auszumachen. In seiner ökologischen Bescheidenheit soll das nur einen Steinwurf von einem Paar Joshua Trees entfernt stehende Gebäude in seiner Formensprache zudem an einen heruntergefallenen Ast erinnern. Noch sieht der Holzpavillon so neu aus wie er eben ist. „Doch wir gehen davon aus, dass die Fassade im Laufe der Zeit auf natürliche Weise verwittern und vergrauen wird.“
Ein Paradebeispiel
The Landing House ist nicht das erste beeindruckende Bauprojekt in der Mojave-Wüste. Es reiht sich ein in einen Reigen spektakulärer Entwürfe – darunter etwa das „unsichtbare“ Spiegelhaus von Filmproduzent Chris Hanley oder das Joshua Tree House von Meister-Planer Kendrick Bangs Kellogg.
The Landing House darf in dieser Liste aber sicher als Paradebeispiel für ökologische Verantwortung und nachhaltige Architektur gelten. „Es erinnert uns alle daran, dass Nachhaltigkeit in allen Aspekten unseres täglichen Lebens auf wunderbare Weise umgesetzt werden kann“, sagt Fernando Gerscovich.
Text: Daniela Schuster
Bilder: Ye Rin Mok / v2com-newswire.com
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