Mit dieser Präsentation zeigt die ALBERTINA die erste umfassende museale Retrospektive Michela Ghisettis. Das Werk der 1966 im italienischen Bergamo geborenen und seit 1992 in Wien lebenden Künstlerin bewegt sich zwischen den Polen der Abstraktion und der Figuration.
In Michela Ghisettis Arbeiten fließen biografisch-emotionale und philosophisch-kunsttheoretische Elemente ineinander. Es entstehen konzeptuell strenge, humorvolle und intuitive Werkgruppen, in denen die Künstlerin stets neue Inhalte und unterschiedlichste Materialien erprobt und deren Grundlagen hinterfragt.
Von Anfang an bevorzugt Ghisetti Papier als Bildträger und arbeitet mit seinen jeweiligen Qualitäten ‒ vom transparenten Japanpapier bis zu den Kartons der jüngst entstandenen Werke. Ob weiß oder farbig, der Mal- oder Zeichengrund übernimmt auch inhaltliche Aspekte und trägt wesentlich zum Gesamteindruck der Arbeiten bei. Zudem finden Beobachtung und Reflexion des Bewegungsablaufs im Gestaltungsprozess ihren Niederschlag, wobei Material und Größe des Bildträgers wesentlichen Einfluss haben.
Die Frau und ihre gesellschaftlich bedingten Rollen sind in Ghisettis Arbeit schon bald in unterschiedlichsten Facetten als Thema präsent. 2012 verhandelt Ghisetti in dem Triptychon Afua ‒ Afua/Der Weg ‒ Maximum nicht nur genderspezifische Dimensionen der Präsentation und Repräsentation der Frau in der heutigen Gesellschaft, sondern auch das globale Geschehen immer mehr bestimmende Fragen der Integration und Diversität.
Das Werk ist zwischen größtmöglichem Fotorealismus und völliger Abstraktion angesiedelt. Dieser Gegensatz bestimmt auch ihre jüngsten Werke, die hier erstmals präsentiert werden.
Punkte und Kreise
Punkte und Kreise tauchen bei Ghisetti von Anbeginn auf. Mit der 2016 begonnenen Serie Tutto erobern sie nun die gesamte Bildfläche: Kleine und große Tupfen entfalten ein Universum der Unendlichkeit, in dem die Vision eines versöhnlichen Nebeneinanders unterschiedlichster Farben, Formen und Größen zu einem politischen Statement wird, das zu einem respektvollen Leben inmitten der Vielfalt aufruft.
Im Fall von In Whose Watery Vastness Life Began explodiert nicht nur das Format, sondern auch inhaltlich wird dem Punkt als mystisches Symbol für die Quelle aller Dinge durch den Titel noch das Wasser als Metapher für den Ursprung des Lebens wie das uns mitbestimmende Unterbewusstsein hinzugefügt.
Unus Mundus
Die raumfüllende Skulptur Unus Mundus besteht aus zwei Ketten, eine aus schwarz getupften, die andere aus blasstürkisen Glaskugeln. Komplementär konzipiert, berühren undüberlappen sie einander. Auch mit dieser Arbeit will Ghisetti die Notwendigkeit der Integration scheinbarer Gegensätze sowie des Zulassens von Diversität aufzeigen.
Che Bambole!
Che Bambole! ist eine heiter sich austauschende Gruppe von zehn Puppen, wie Ghisetti sie nennt. Jede hat ihren eigenen Namen und ihren eigenen Charakter und Aufbau. Und dennoch bilden sie eine Gemeinschaft, sind eine Einheit. Ghisetti verbrachte längere Zeit in Afrika, wo sie von Skulpturen der Stammeskunst inspiriert wurde. Die Serie kreist um das Thema der Würdigung weiblicher Vielfalt, für die hier die aus den unterschiedlichsten Materialien komponierten Puppen stehen.
Gerade auch in unserer von der Pandemie geprägten Zeit werden besonders die jüngsten Werke Michela Ghisettis zu einem Aufruf, sich als Teil eines Ganzen zu verstehen und Verantwortung für die Erde und die Gesellschaft zu übernehmen.
Ausstellungsdaten
Michela Ghisetti
Dauer: 17. Dezember 2021 – 20. März 2022
Ort: ALBERTINA | Albertinaplatz 1 | 1010 Wien
Kuratorin: Antonia Hoerschelmann, ALBERTINA
Werke: 54
ALBERTINA online >>
iThere are no comments
Add yours