Michael Kovacek ist Mitgründer des Wiener Auktionshauses „im Kinsky“ und hat sich, wie er selbst sagt, mit „Leib und Seele“ der Kunst verschrieben. Ein Gespräch über den Nervenkitzel bei Auktionen, Sammlerleidenschaft und warum Rekordergebnisse immer eine Schlagzeile wert sind.
Interview: Nina Prehofer
Herr Kovacek, wie gut ist es um das Kunstwissen der Österreicherinnen und Österreicher bestellt?
Michael Kovacek: Sehr gut, würde ich sagen! Ich denke, dass sich Österreich zu Recht Kulturnation nennen darf und in der Breite über Kunst wesentlich mehr weiß als andere Länder. Es gab und gibt eine fortwährende Beschäftigung mit der Kunst und auch der Musik.
Da nehmen Sie auch jüngere Generationen nicht aus?
Michael Kovacek: Nein. Durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Zusammenbruch der Monarchie, gab es eine Unterbrechung. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man einen unglaublichen Aufholbedarf. Man konnte wirklich beobachten, wie die Kunst wieder herausbrach und sich eine Szene formierte. Und diese ist gerade in den letzten 20 Jahren rasant gewachsen.
Welchen Stellenwert hat ein Auktionshaus am Kunstmarkt?
Michael Kovacek: Ich glaube, einen sehr wichtigen. Das Auktionswesen ist sehr transparent, wesentlich transparenter als der Kunsthandel. Die Kunst ist bei uns mit einem Preis versehen, manchmal mit einem Wunschpreis, viel öfter jedoch mit einem tatsächlichen Preis. Dieser ist lesbar und nachvollziehbar und wird auch von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Wenn Sie in den Zeitungen von Rekordergebnissen lesen, die auf der ganzen Welt erzielt werden, so sind das eigentlich immer Auktionsergebnisse.
Warum sind besonders hoch erzielte Preise immer eine gute Schlagzeile?
Michael Kovacek: Weil der Mensch so ist, wie er ist. Wenn Sie ein Kleinod, eine Zeichnung eines Künstlers, der jetzt keinen großartigen Namen hat, aber trotzdem ein großartiger Künstler ist, um 5000 Euro verkaufen, so ist das keine Schlagzeile. Eine Schlagzeile beschreibt etwas Außergewöhnliches. Der Wert der Kunst spiegelt sich sehr oft in Zahlen wider. Natürlich kann man über den inhaltlichen Wert sehr gut schreiben, aber man muss auch viel davon verstehen, und Schlagzeile ist das keine.
Hans Bischoffshausen* (1927–1987)
Dissolution d’un Champ D’Energie, 1960/61
Verkauft um 128.000 €
Wie geht es Ihnen damit, wenn Rekordpreise bei einer Auktion erzielt werden? Ist das nach wie vor ein Nervenkitzel oder sind Sie nach vielen Jahren Ihrer Tätigkeit schon „cool“?
Michael Kovacek: Wenn es uns im Auktionshaus gelingt, für einen Künstler einen Weltrekordpreis zu erzielen, empfinde ich das immer als aufregend. In dem Moment wird ein neuer Maßstab gesetzt und eine neue Wertigkeit entsteht.
Ich bin mit Leib und Seele Kunsthändler und Auktionator und es erfüllt mich, tolle Kunst zu bekommen und anzubieten.
Wenn man dann auch noch die positive Resonanz der Sammler erhält, die sagen: „Das war es wert“ oder ein Werk noch mehr wert ist, als man es selbst eingeschätzt hat, dann ist das fantastisch.
Würden Sie sagen, es ist die Aufgabe eines Auktionshauses, Ihre Aufgabe, den Künstlern den Wert zu geben, den sie verdient haben?
Michael Kovacek: Auch unsere, aber ohne Galerien geht das nicht. Da möchte ich den Galerien sehr viel Lob zollen, die mit den Künstlern zusammenarbeiten, sie betreuen und an die Öffentlichkeit, die Museen und die Sammler bringen. Wenn der Künstler einmal etabliert ist, kommt er auf den Sekundärmarkt, und das ist das Auktionswesen. Der Auktionsmarkt kann ohne Galerien nicht existieren und die Galerien würden ohne Auktionsmarkt auch nicht so glücklich sein.
Sie haben Expertinnen in sechs Sparten, Sie selbst sind Experte in mehreren Bereichen. Wie sehr spürt man Trends am Markt?
Michael Kovacek: Trends sind natürlich zu spüren, aber nicht in eine Kunstrichtung, sondern in die junge Kunst. Jede Generation hat ihre Künstler und eine jetzige Generation hat andere Künstler als die vorige und die nächste. Das heißt, man muss immer mit der Zeit gehen. Manchmal ist das gar nicht so leicht, da erlebt ein Künstler einen Hype und wird aber in der Folgezeit nicht mehr so stark nachgefragt. Das hängt sehr wohl von der Kunst und dem Künstler ab, wie er sich weiterentwickelt und betreut wird, oder auch davon, ob ein neuer Trend dagegenwirkt. Auch Rembrandt war nicht zu jeder Zeit berühmt und ist erst in den letzten 150 Jahren zu einem Weltkünstler geworden. Ich will damit einfach sagen, es gibt immer wieder Zyklen, in denen ein Künstler mehr oder weniger Beachtung finden kann.
Sie haben das Auktionshaus mitgegründet. Was war damals Ihre Motivation?
Michael Kovacek: Ich war damals schon Jahrzehnte lang Kunsthändler und das Auktionswesen in Österreich noch sehr bescheiden. Das Dorotheum hatte lange eine Monopolstellung, die dann endlich aufgelockert wurde. Wir Gründer haben uns gedacht, die Welt hat so viele Auktionshäuser, nur in Österreich gibt es bloß eines. Also haben wir uns zusammengetan, gegründet und es war ein durchschlagender Erfolg.
Welche Qualitäten zeichnen das „im Kinsky“ aus?
Wir sind serviceorientiert und bemühen uns, nach Möglichkeit wirklich sehr gute Kunstobjekte zu bekommen.
Wir wählen aus und nehmen bei Weitem nicht alles. Wir sind ein kleines Team und für unsere Kunden vom Ankauf bis zum Verkauf jederzeit vorhanden. Das geht nur, wenn man eine begrenzte Zahl an Gegenständen nimmt.
Wie hat sich das Auktionshaus über die Jahre verändert?
Michael Kovacek: Es hat sich mit der Nachfrage nach immer modernerer und zeitgenössischer Kunst verändert.
Die Zukunft ist die junge Kunst.
Die ältere auch, wenn es sehr gute Kunst ist. In jeder Phase der Kunstgeschichte gab es Maler, die ganz gut, aber nicht bahnbrechend gemalt haben. Die werden heute nicht mehr gesucht, so wie die Landschaftsmaler aus der Biedermeierzeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg noch gefragt, kamen dann aber schnell Maler wie Rainer, Nitsch oder Hundertwasser. Sie haben die Zeitgenossen eingeläutet.
Hat sich der Markt durch die Coronakrise verändert?
Michael Kovacek: Das traue ich mich jetzt noch nicht zu beurteilen. Ich weiß nur, dass die Nachfrage des Kunstkaufes jetzt sehr groß ist, weil ein halbes Jahr nichts passiert ist. Die Kunstkäufer und Kunstinteressierten scharren in den Startlöchern, um endlich Kunst kaufen zu können.
Es ist auch eine sichere Art, sein Geld anzulegen.
Michael Kovacek: Ja. Selbstverständlich stellen sich Menschen in einer Krise die Frage, wie sie überleben werden. Aber die Menschheit ist noch nie untergegangen und wird auch jetzt nicht untergehen. Es braucht halt einfach noch, bis sich alles wieder in normalen Bahnen bewegt. Aber dann erweist sich Kunst als dauerhafte Vermögensanlage.
Auktionen wurden auch schon vorher online abgewickelt. Wird dieser Trend durch die Krise noch verstärkt?
Michael Kovacek: Wahrscheinlich. Bei uns kann man über unser Portal und über Lot-Tissimo online mitbieten. Wir übernehmen auch Aufträge selbst und eine externe Sensalin, die Bietaufträge ausfüllt, haben wir außerdem. Das funktioniert alles wunderbar.
Für das Werk welches Künstlers würden Sie ein Höchstgebot abgeben?
Michael Kovacek: Ich hätte zum Beispiel für den Koloman Moser in unserer letzten Auktion ein Höchstgebot abgegeben. Ich biete aber kaum jemals mit.
Koloman Moser (1868–1918)
Blick auf die Rax von der Villa Mautner v. Markhof, um 1913
Öl auf Karton
verkauft um 70.400 €
Ihre Tipps für Auktionsanfänger?
Michael Kovacek: Man sollte sich schon mit Kunst auseinandergesetzt haben und innerlich Sammler oder Käufer sein. Man sollte eine Vorbildung darin haben, welche Kunst einem gefällt und was gute Kunst ist. Das lernt man in Museen und mit der Beschäftigung. Einem jungen Kunstsammler kann ich nur raten, erst einmal den Markt und Auktionen zu beobachten und zu vergleichen und sehr behutsam zu kaufen. Er sollte auch nur kaufen, weil er sich am Werk erfreut, nicht weil er damit spekuliert. Wenn man auf diese Weise Kunst kauft, wird man auf lange Sicht auch einen finanziellen Erfolg haben.
Also Leidenschaft vor Strategie?
Michael Kovacek: Unbedingt! Es heißt ja auch Sammelleidenschaft! Es gibt wenig Menschen, die gar nichts sammeln. Ich rede jetzt nicht nur von Kunst. Das Sammeln liegt den Menschen im Blut.
Was sammeln Sie?
Michael Kovacek: Ich habe sehr viele Interessen und keine bestimmte Epoche. Für mich zählt vor allem Qualität. Viele Jahre habe ich mich mit historischem Glas – nicht mit Trinkgläsern – beschäftigt. Auch aus der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts habe ich für mich und mein Umfeld einiges erworben.
Haben Sie neben dieser ernsthaften Sammeltätigkeit noch eine heimliche Sammelleidenschaft? Eine Liebhaberei?
Michael Kovacek: Nein, das habe ich eigentlich nicht.
Meine Sammelleidenschaft geht in oben genannten voll auf.
Über Michael Kovacek
Michael Kovacek ist Geschäftsführer und Gründungsmitglied des Auktionshauses „Im Kinsky“ mit Sitz in Wien. Er ist außerdem gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Experte für Möbel, Glas, Antiquitäten und Gemälde des 19./20. Jahrhunderts.
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