Der Künstler Martin Grandits gilt als „Meister der Ironie“. Bei ihm bekommen Leberkäsesemmerl, Logos oder Bierbänke eine neue Bedeutung. Ein Gespräch über Wert und Wertschätzung im Leben und in der Kunst.
Interview: Nina Prehofer
Was in Ihrem Leben ist Ihnen wertvoll?
Martin Grandits: Freundschaft. Heutzutage sind Freunde ja auch Familie, also Menschen, auf die man sich verlassen kann. Aber da geht es nicht nur darum, Verantwortung füreinander zu übernehmen, wenn es einem nicht gut geht, sondern auch gemeinsam Spaß zu haben und Erlebnisse zu teilen. Und natürlich hat die Kunst in meinem Leben einen großen Wert.
Ich würde schon sagen, dass sie eine wichtige Obsession ist.
Das ist manchmal sehr anstrengend, aber ich wüsste nicht, was ich ohne Kunst mit meinem Leben anstellen sollte. Sie ist mein Lebensinhalt. Das ist sehr wertvoll – seinen Lebensinhalt gefunden zu haben. Etwas, das einen erfüllt und an das man glaubt.
Machen Sie sich Gedanken über den Wert Ihrer Arbeit?
Martin Grandits: Ja, sowohl über den monetären Wert als auch über die Anerkennung. Die Kunst zahlt meine Rechnungen. Die andere Komponente hat natürlich auch Wert: Wenn die Kunst betrachtet wird und der Mensch fasziniert von ihr ist und eine vereinnahmende Energie entsteht. Wie bei einem kleinen Kind, wenn unter dem Christbaum das Barbiehaus oder die Ritterburg steht. Da leuchten die Augen. Bei meiner Kunst kommt vielleicht noch eine weitere Komponente hinzu. Meine Arbeiten sind oft Konzeptarbeiten, die sehr satirisch sind und politische Themen ebenso wie Themen aus dem Alltag aufgreifen. Wenn man kritische Dinge mit einem Lächeln vermitteln kann, dann ist das meiner Ansicht nach ein guter Zugang, um einen Diskurs zu starten. Wenn man damit den Menschen einen Weitblick eröffnen kann, ist das wertvoll.
Sie arbeiten oft mit Logos und Marken. Gibt es Lieblingsbrands, die Sie verwenden? Chanel kommt sehr oft vor.
Martin Grandits: Chanel verfolgt mich irgendwie. Als ich noch jung war und Kunst studierte, hatte ich kein Geld. Da gab es jedoch VIP-Partys mit gratis Drinks und Essen. Da habe ich begonnen, für mich Chanel-T-Shirts zu fälschen. Mit so einem T-Shirt kommt man hinein, selbst wenn man nicht auf der Liste steht.
Das funktionierte wirklich?
Martin Grandits: Ja! Dabei stand „Chanel pour Clochard“ darauf. Das haben die gar nicht mehr gelesen. Chanel ist besonders interessant, weil die Marke durch jede Gesellschaftsschicht hindurch positiv konnotiert ist. Es gibt kaum jemanden, der die Marke nicht gut oder wertvoll findet. Ich arbeite aber nicht nur mit Luxusmarken, sondern auch mit trashigen wie Cleber oder Billa. Logos sind für mich wie Hieroglyphen. Wenn man sie aneinanderreiht, dann entstehen Botschaften und man kann damit kommunizieren.
Was macht Kunst im besten Fall mit einem Menschen?
Sie erweitert den Horizont und löst in den Menschen etwas aus.
Verschiedene Arten von Kunst sprechen verschiedene Menschen an. Manche stehen mehr auf verkopfte Konzeptkunst, die total minimalistisch ist in der formalen Ästhetik. Andere stehen eher auf große Chanel-Tragetaschen, die im Garten stehen.
Wie denken Sie über den Kunstmarkt?
Martin Grandits: Die kapitalistische Komponente der Kunst war schon immer da. Sie ist Teil des Wesens. Kunst war immer auch eine schöne Sache für Menschen mit viel Geld. Der arme Künstler, der trotzdem Charme und Sex hat, ist auf eine Art und Weise eine eigene Kaste. Nicht viel Macht und Geld, aber Reputation. Der trifft dann auf die reiche Oberschicht, Mäzene, und sie befruchten einander. Das ist schon ein gutes Spannungsfeld. Ich finde, Erfolg ist nichts Schlechtes, denn es bedeutet, mit seiner Idee vom Leben viele Menschen zu erreichen.
Das Cover der aktuellen THE Stylemate Herbst/Winterausgabe „was ist es wert?“ zeigt ein Objekt von Martin Grandits.
Es heißt, der Applaus ist das Brot des Künstlers. Wie wichtig sind Wertschätzung und Anerkennung für Ihre Arbeit?
Martin Grandits: Meine Arbeit war schon eine ganze Weile brotlos. Da hadert man mit sich. Man sucht die Fehler bei der eigenen Kunst, wenn sie sich nicht verkauft, nicht gesehen wird oder nicht funktioniert. Ich wurde fast manisch und habe probiert und probiert. Ich war davon besessen, noch besser zu werden. Ich wollte das Rad neu erfinden, nein, etwas Neueres als das Rad sozusagen. Es war ein Gefühl von Ausgeliefertsein. Das hat sich verändert, als das positive Feedback kam – und die Wertschätzung. Plötzlich wurde meine Kunst gesehen, gekauft und geschätzt. Das war sehr wichtig für mein Wohlbefinden. Wenn man kein Geld und keine Wertschätzung für seine Arbeit erhält, dann verbrennt man irgendwann.
Wie viel Struktur haben Sie sich bei der Arbeit selbst auferlegt?
Martin Grandits: Ich versuche immer mehr an Struktur hineinzubringen. Ich bin eh ein chaotischer Mensch und brauche das für die Qualität meiner Arbeit. Struktur ist essenziell, wenn man zum Chaos neigt. Es macht keinen Spaß, wenn die Arbeit „pfuschig“ wird.
Ich habe über Sie gelesen, dass Sie religiös sind?
Martin Grandits: Ja, ich denke schon, aber nicht indem ich in die Kirche gehe und jeden Tag bete. Religion hat für mich viel mit Jenseitsgedanken zu tun. Ich möchte an das Leben danach glauben, denn es ist bitter, wenn ein geliebter Mensch stirbt und man weiß, man sieht ihn nie mehr wieder. Vielleicht ist Religion für mich eine Methode und ein Weg, um mit dem Tod umgehen zu können.
Wenn der Tod nicht das Ende ist, was würden Sie ins Jenseits mitnehmen?
Martin Grandits: Meine Freunde und eine Flasche Wodka. Feiern und Spaß haben sind für mich Nahrung. Eine Kreditkarte vielleicht auch noch. Mit der geht eh alles.
Martin Grandits schafft es, in seinen Werken die Ästhetik auch im Alltäglichen wahrzunehmen. Mit beeindruckender Nonchalance assoziiert sich Martin Grandits zwischen Tinder und Picasso quer durch die Popkultur und Kunstgeschichte und macht meistens dort Halt, wo man es am wenigsten von ihm erwartet. Seine Weggefährten sind dabei stets der kritische Blick und immer auch der Humor; einerseits als Stilmittel und andererseits als Waffe gegen das Pathetische. Martin Grandits, geboren 1982 in Wien, Studium an der Universität für angewandte Kunst (transmediale Kunst bei Brigitte Kowanz), lebt und arbeitet in Wien.
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