Text by Martin Novak
Madeira ist „Europes Leading Island Destination“. Diese Auszeichnung beim World Travel Award ist nicht der einzige Grund dafür, diese Insel faszinierend zu finden.
Der Stolz von Madeira ist natürlich Cristiano Ronaldo, vor allem wenn der gebürtige Madeirer die Champions League gewinnt – und obwohl er schon seit vielen Jahren nur mehr selten in seine Heimat zurückkehrt.
„Stolz von Madeira“ heißt auch eine der beherrschenden Pflanzen Madeiras, die im Deutschen den weniger schmeichelhaften Namen „Natternkopf“ trägt und auf Englisch „viper’s bugloss“ heißt. In den USA gilt die Pflanze, auf die Madeira so stolz ist, als invasiv und damit als Umweltseuche.
Aber beim Mehrfach-Weltfußballer Ronaldo scheiden sich ja auch die Geister. Für Pflanzen ist die Insel Madeira aber jedenfalls besser geeignet als für Fußball, schon weil die madeirischen Klubs, die in der portugiesischen Liga mittelmäßig erfolgreich sind, vor jedem Auswärtsspiel am Festland um die 1.000 Flugkilometer hinter sich haben. So weit ist die Insel nämlich von Lissabon entfernt, nach Marrakesch wäre es etwas näher.
Aber dank ihres ewigen Frühlings ist der Beiname „Blumeninsel“ für Madeira mehr als gerechtfertigt: Selbst in Januarnächten sinkt die Temperatur im Durchschnitt nicht unter 13 Grad Celsius und in den heißesten Monaten sind es unter Tags nicht mehr als 26 Grad.
Weite Gärten
Die ganze Fülle der madeirischen Blumen und Pflanzenwelt finden Besucher im Jardim Botanico von Funchal auf einem Platz. Wobei madeirisch relativ ist: Der Großteil des Bewuchses der großzügigen Parklandschaft ist nämlich eher exotisch. Aber dank des immerwährend milden Klimas gedeihen hier auch Palmen, tropische Früchte oder Orchideen ganz wunderbar ohne Glashäuser. Die eigentlich in Südafrika heimische Papageienblume ist sogar zum Symbol der Flora dieser Insel geworden.
Die ganze Fülle der madeirischen Blumen- und Pflanzenwelt finden
Besucher im Jardim Botanico von Funchal.
Aber man muss gar nicht einen öffentlichen botanischen Garten aufsuchen, um in diese Blumenwelt einzutauchen. Der Schotte William Reid, den – wie so viele andere – das milde Klima nach Madeira gelockt hatte, begann 1887 den Bau eines beeindruckenden Luxushotels namens Reid’s Palace, das es immer noch gibt und zu dem ein mehr als 40 Hektar großer, subtropischer Park gehört. Auch die österreichische Kaiserin Elisabeth („Sissi“) hat dort einige Zeit residiert, als ihre angegriffene Gesundheit sie nach Madeira lockte. Dort wird sie wohl auch den Fünf- Uhr-Tee genossen haben, der in einem Hotel mit britischen Wurzeln bis heute selbstverständlich ist.
Aber es muss nicht Reid’s Palace sein: Die Quinta de la Bela Vista (Quinta steht für Weingut oder Gutshof) hoch über Funchal ist eine kleine, exklusive Hotelanlage mit mehreren Gebäuden, die ebenfalls in einem Park liegt, der alle Kriterien eines botanischen Gartens erfüllt.
Hohe Berge
Hoch ist auf Madeira übrigens fast alles. Manche Hotels, die direkt an der Küsteliegen, haben eigene Lift-Türme, damit die Gäste bequem auf Meeresniveau gelangen können. Die Alternative ist gesundes – aber nicht ganz so komfortables – Treppensteigen.
Die drei höchsten Berge der Insel sind etwas höher als 1.800 Meter. Das klingt nicht sehr dramatisch, da sie aber direkt aus dem Meer aufragen, wirken sie durchaus beeindruckend. Mit einer Straße erschlossen ist nur der dritthöchste, der Pico do Arieiro. Das liegt wohl auch daran, dass sich dort eine mächtige Radarstation befindet. Allerdings darf man steile und schmale Bergstraßen nicht scheuen, wenn man dieses Gipfelerlebnis genießen will – oder man vertraut sich einheimischen Bussen bzw. Taxis an, die Tag für Tag Besucherscharen auf den Berg bringen. Die noch höheren Gipfel, der Pico Ruivo und der Pico das Torres, sind von dort weg nur zu Fuß erreichbar, über gut gesicherte Wege zwar, aber zwei bis drei Stunden in eine Richtung – teils über in den Fels geschlagene Treppen und durch Tunnels – brauchen auch geübte Berggeher.
Madeirische Berge
Man darf man steile und schmale Bergstraßen nicht scheuen, wenn man
dieses Gipfelerlebnis genießen will.
Die Berggipfel liegen über den Wolken, die oft die madeirische Küste bedecken. Und die bieten einen atemberaubenden Blick auf die Küste, das Meer und den Himmel – davor die schroffen Felsen, die dichten Nadelwälder und die Ginsterfelder, die weite Flächen in ein intensives Gelb tauchen. Ewiger Frühling eben. Das gilt auch für die Berge.
Frühling zum Mitnehmen
Diesen Frühling gibt es auch zum Mitnehmen. Im ersten Stock der großzügigen Markthalle von Funchal werden zahllose Blumen, Knollen und Samen angeboten. Einziges Problem: Nicht viel davon überlebt die Winter nördlicherer Regionen im Freien. Da ist es vielleicht doch ratsam, sich eher kandierte Hibiskusblüten einpacken zu lassen oder die zahlreichen tropischen Früchte, die auf der Insel gedeihen – zum Beispiel unterschiedlichste Bananensorten – gleich vor Ort zu verkosten.
Tiefe Wasser
Diese Bananen gehören auch zum modernen Nationalgericht der Insel, Espada con Banana. Der Hauptbestandteil, der schwarze Degenfisch, wird ebenfalls in der Markthalle angeboten. Geangelt aus einer Tiefe von einem Kilometer, ist der eineinhalb Meter lange Tiefseebewohner mit seinem schlangenartigen Körper und seinen furchterregend spitzen Zähnen kein optischer, aber sehr wohl ein kulinarischer Genuss. Schwarz ist nur seine Haut, und zwar nur an der Meeresoberfläche. Aber Zähne und Haut bekommt man in den Restaurants der Insel, wo Espada nahezu überall auf der Karte steht, sowieso nicht zu sehen.
Die wahren Madeirer werden der Espada aber sowieso die Espetada vorziehen. Denn wie auf vielen – vor allem mediterranen – Inseln sind die traditionellen Speisen eher schwere Fleischgerichte: Espetada steht für Fleischspieß. Statt Rindfleisch Getier aus dem Meer zu essen, war früher eher eine Notlösung. Bis dann die Touristen kamen. Zuerst per Schiff und dann per Flugzeug. Seit einigen Monaten landen sie am Flughafen, der nach dem Stolz Madeiras benannt ist, dem „Aeroporto Cristiano Ronaldo“.
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