Lukas Klingsbichel, Designer: systematisch, analytisch, fokussiert // DESIGN

design by Lukas Klingsbichel

Fotos: Lukas Klingsbichel, Text: Nina Prehofer

Systematisch, analytisch, fokussiert. Und auf Umsetzbarkeit bedacht. So beschreibt der Grazer Produktdesigner Lukas Klingsbichel seine Arbeitsweise. Denn nur, wenn etwas wirklich machbar ist, kann die Realität verändert werden – und das ist es, was ihn interessiert.

Als Kind oder Jugendlicher wusste Lukas Klingsbichel nie so recht, was er eigentlich werden wollte. Kein klassischer Berufswunsch, der ihn eingenommen hätte und zum Glück auch kein Zwang, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Doch eines hat er immer schon gemacht: gestaltet.

Ich habe Street Art gemacht, aber auch Musik. Die kreative Tätigkeit hat mich immer begleitet und dieser Drang, kreativ zu sein, hat nie geruht und ist auch nicht leiser geworden,

erzählt Lukas Klingsbichel.

Im Gegenteil. Der Drang wurde immer stärker und irgendwann hat eins das andere ergeben und er kam als junger Mann in den Möbelbereich. „Ich habe ursprünglich das Tischlerhandwerk erlernt, war dabei jedoch gestalterisch nie ausgelastet. Für den Ausführenden bleiben oft keine oder nur wenige Spielräume, sich gestalterisch einzubringen, man ist einfach die ausführende Hand. Das war mir schnell zu wenig.“ Nach der guten technischen Ausbildung entschloss er sich daher, die Meisterschule für Raumgestaltung zu besuchen, wo er schließlich auch seinen Meisterabschluss machte. Danach ging es gleich ab nach London. Ziel war ein großes Innenarchitekturbüro.

„Das Büro hat mich aufgrund der großen Projekte angezogen. Wir arbeiteten sogar am teuersten Gebäude der Welt, dem Superluxuskomplex ,One Hyde Park‘, in dem später arabische Scheichs neben Oligarchen eingezogen sind.“ Doch auch dort war er noch nicht angekommen, denn wieder stand die technische Entwicklung von Innenarchitekturprojekten im Fokus und weniger die Gestaltung.

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Die technische Basis für Möbelgestaltung habe ich perfekt beherrscht, mir war nicht klar, warum ich nicht auch gestalten sollte.

Also ging es zurück nach Graz, auch aus familiären Gründen, um dort den Grundstein für die weitere Zukunft zu legen: Lukas Klingsbichel gründete sein Büro für Produktdesign.

Die 10 wichtigsten Fragen, die sich der Produktdesigner bei seiner Arbeit stellt:

1. Welchen Vorteil bringt das Produkt dem Produzenten oder der Marke gegenüber seinen Mitbewerbern?
2. Welche Herstellungstechnologien kommen zum Einsatz und welche Chancen und Einschränkungen ergeben sich daraus für die Produkte des Herstellers?
3. Wie wirken Formen auf den Betrachter? Welche Assoziationen lösen sie aus?
4. Wie lassen sich Kosten durch die Formgebung steuern bzw. hin zu einer höheren Effizienz beeinflussen?
5. Wie können Material und Arbeitsaufwand durch die Formgebung eingespart werden?
6. Was erwarten Endkunden heute von einem Produkt im jeweiligen Segment?
7. Was machen andere Produkte im Segment richtig bzw. falsch?
8. Wie kann Design dem Endkunden dabei helfen, eine lange währende Beziehung zum Produkt zu entwickeln?
9. Wie sehen die Herausforderungen der Gegenwart aus und was können wir aus der Vergangenheit lernen, um eine Lösung für die Zukunft zu finden?
10. Wie sieht die Zukunft des Konsums, der Fertigung und der Logistik aus?

Prägende Ästhetik

Für Lukas Klingsbichel sind Objekte dann wertvoll, wenn sie kein Quäntchen Material zu viel besitzen und jedes Material am Objekt seine Funktion hat. Es muss sich selbst legitimieren und dem Benutzer damit verständlich sein. Ein bedachter Materialeinsatz und die Sinnhaftigkeit sind für mich wertvoll. Auch der Gebrauchswert ist mir wichtig, nämlich: Wie perfekt erfüllt etwas die Aufgabe, die es erfüllen soll? Hinter den einfachsten Formen steckt oft die größte Genialität, und die macht für mich den Wert aus.“

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Er selbst beschäftigt sich gerne mit den Lösungen anderer und analysiert, wie ein Problem gelöst wurde. Das Lernen von anderen hat ihn geprägt, denn „jeder kann dein Lehrer“ sein. Persönlich reflektiert der Produktdesigner stark auf die Arbeiten von Josef Hoffmann, die für ihn bis heute eine Zeitlosigkeit besitzen, die faszinierend ist.

Was schön ist, wird immer schön sein.

fUnd: „Es ist der beste Beweis, dass gute Arbeit auch nach 120 Jahren noch seine Gültigkeit besitzt. Es geht nicht um Trends, das kann man von Hoffmann lernen.“

Auf die Frage, welche Möbelstücke er am liebsten entwirft und baut, antwortet er: Tische, quasi der ,Sessel light‘ des Möbeldesigns. Ich mag Tische, da sie sehr viel Gestaltungsraum zulassen, und ein schöner Tisch an der richtigen Stelle ist Goldes wert. Aber ich arbeite gerade an einem Sessel, der mich sehr herausfordert. Denn das eine ist die Technik, das andere die Gestaltung. Schönheit ist allgemeingültig und darf nicht zu kurz kommen.“

Nur wenn etwas wirklich machbar ist, kann die Realität verändert werden.

Lukas Klingsbichel

Das Schöne an der Arbeit mit Holz ist … das Ende

Seine Objekte und Möbel will Lukas Klingsbichel ganzheitlich wahrgenommen haben. Man soll sie „in echt“ leben, angreifen und ausprobieren. Denn nur dadurch kann man sich eine Conclusio über das Erlebte bilden. Trotz seiner Tischlerausbildung greift Klingsbichel nicht vorrangig zum Werkstoff Holz.Ich habe keine Materialpräferenzen. Die Wahl des Materials richtet sich nach der Aufgabe. Man muss ein oder mehrere Materialien finden, die die Aufgabe bestmöglich erfüllen. Das gehört zu meinen Aufgaben.“ Die Arbeit mit Holz hat er als harte körperliche Arbeit in Erinnerung, die einen zwar muskulös, stark und fit macht, aber mit Mühen verbunden ist.

Das Schöne an der Arbeit mit Holz ist das Ende. Wenn das Werkstück fertig ist und funktioniert. Viele greifen Holzarbeiten an und bewundern das schöne Material, dabei müssten sie sagen: ,Was für eine schöne Arbeit!‘

Für sich selbst und für sein Umfeld wählt er natürliche Materialien. „Vor 120 Jahren gab es noch keinen Kunststoff auf der Welt, trotzdem konnten Lampenfassungen und Kabel gefertigt werden. Daraus kann man viel Inspiration ziehen. Wie man Mikroplastik vermeiden kann? Ich meine, Plastik erst gar nicht zu verwenden. Das ist die beste Prävention.“ Seiner Meinung nach sind es die Zeit und der Kapitalismus, die das Plastik versuchen zu legitimieren. Plastik ist schnell und günstig. Doch für ihn keine Option.

Mein Verkaufsargument ist plastikfrei.

Derzeit beschäftigen den Produktdesigner unterschiedliche Aufgaben. Zum Beispiel die Outdoor-Möblierung für den Ökopark Hochreiter, der Aufbau und die Etablierung einer Marke im Streetwear-Bereich oder ein Klappsessel und dessen Herstellung.

Lukas Klingsbichel

Jedes Wort ist wichtig, denn damit bestimmt man, welche Menschen man erreicht.

Er sieht es so: Kunden kommen zu ihm, weil sie ein Problem haben, für das eine Lösung gefunden werden muss. Dann sieht er sich alle verfügbaren Lösungen, die es gibt an und überlegt, warum sie nicht passen. Darauf baut er seine Lösung auf. Dadurch kommt es zu einem neuen, verbesserten Produkt. So ist seine Arbeitsweise systematisch, analytisch, fokussiert und sehr auf Umsetzbarkeit bedacht. Das ständige Streben nach konstanter Verbesserung. Immer neugierig, immer bedacht. So wie seine Wortwahl in unserem Gespräch und wie er selbst feststellt: „Jedes Wort ist wichtig, wie man es ausdrückt. Denn damit kann man bestimmen, welche Menschen man erreicht.“

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