Mit dem Upper House wird das Stadtbild im australischen Brisbane nachhaltig verändert. Koichi Takada Architects bringen damit die Geschichte des Landes, die Natur und urbanes Leben miteinander in Einklang.
Sie können leidige Quälgeister, grantige Querulanten, manchmal aber auch gute Freunde oder die Rettung in der Not sein. Wer aber kann schon von sich behaupten, alle seine Nachbarn zu kennen? Gerade Menschen in Großstädten kennen dieses „Verbindungsdefizit“, wie es Koichi Takada, Gründer des gleichnamigen Architekturstudios, nennt. Um dem entgegenzuwirken, ließ der australische Architekt – neben Faktoren wie Nachhaltigkeit und der Geschichte der Ureinwohner – auch diesen Umstand in die Planung des Upper House in Brisbane miteinfließen.
Aufarbeitung der Geschichte
Denn die Hauptstadt des australischen Bundesstaats Queensland hat alles, was man sich von einer Stadt am Meer erwarten würde. Gelegen am Pazifischen Ozean zwischen der Sunshine Coast im Norden sowie der Gold Coast im Süden punktet Brisbane mit ganzjährig mildem Klima und durchschnittlich rund 260 Sonnentagen im Jahr. Kaum überraschend, dass die Stadt den Spitznamen Sunshine City trägt. Was aber wie in vielen Städten auch hier fehlt, ist laut Takada ein Sinn von Nachbarschaftlichkeit, Solidarität und Interaktion. Dafür wollte er eine Lösung finden, so der Architekt.
Neben Koalas, Kängurus und sonnenverwöhnten Stränden, steht Australien auch für die Heimat der ältesten Bevölkerung der Welt. Bis heute allerdings leiden die Aboriginals als Ureinwohner des Landes unter sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung. Deshalb, sowie in Anlehnung an die reiche Geschichte Australiens, wurde diese an Brisbanes Upper House künstlerisch aufgearbeitet und verewigt.
Historisch verwurzelt
Das Ziel des Architekturstudios war, in dem hochgewachsenen Wohnbauprojekt das kulturelle Erbe des Landes mit ökologischer Verantwortung und dem Leben in modernen Städten zu verbinden. Inspirieren ließ man sich von der Flora des Daintree Regenwalds, der 18 indigene Völker beherbergt und zu den ältesten tropischen Regenwäldern der Welt gehört. Ausgehend vom Fundament des Gebäudes ranken sich an der Außenfassade des Hauses künstlerisch geschwungene Holzpfeiler in die oberen Etagen und enden in einer hölzernen Dachpergola über dem 32. und 33. Stock. Das Holzgerüst soll das Wurzelwerk der in Australien heimischen großblättrigen Feige nachahmen.
In den untersten Etagen, die das Parkhaus des Gebäudes darstellen, ziert eine besondere Verkleidung die Hausfront – ein sich über fünf Stockwerke erstreckendes Kunstwerk der indigenen Künstlerin Judy Watson, mit dem die Geschichten der Ureinwohner erzählt werden. Das rostrote, lichtdurchlässige Werk beschreibt die Künstlerin folgendermaßen: „Lichtlinien durchziehen den Fluss und das Land. Lokale Routen folgen Wanderwegen der Aboriginals. Sie sind die Blutlinien, die uns zu Land und Kultur führen.“
Dschungel de Luxe
Im Upper House erinnert aber nicht nur die Außenfassade an einen Dschungel. Auch die Gemeinschafts-Dachterrasse, die sich unterhalb der letzten beiden Etagen erstreckt, wurde mit rund 3.500 lokalen Pflanzenarten üppig begrünt. Als Mini-Ökosystem sollen diese Schatten spenden und das Dach auf natürliche Weise isolieren, sodass nach Möglichkeit auf künstliche Kühlung und Heizung verzichtet werden kann.
Die Pflanzen werden allein mit Regenwasser bewässert, eine Solaranlage sorgt zudem für die Energieversorgung der Gemeinschaftsräume. Der soziale Treffpunkt der Bewohnenden, der sogenannte Upper Club des Hauses, ist der erste seiner Art in Australien und verfügt unter anderem über einen Infinty Pool samt Spa und Sauna, ein Yoga- und ein Fitnessstudio sowie Home-Office-Spaces und sogar über ein privates Kino.
Klar, dass dieser Luxus seinen Preis hat. Sofern man aber das nötige Kleingeld mitbringt, lässt sich das anfangs erwähnte Verbindungsdefizit, das Takada anspricht, mit dem gemeinschaftlichen Modell des Upper House sicherlich beheben. Ob die gesellschaftliche Gleichstellung der Indigenen direkt von dem Wohnbauprojekt profitiert, sei erst einmal dahingestellt. Ihre Sichtbarkeit und Anerkennung zu fördern, kann man aber definitiv als einen Schritt in die richtige Richtung werten.
Text: Rabea Scheger
Bilder: Scott Burrows, Tom Ferguson, Mark Nilon
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