In einem der weltweit höchsten Holz-Hochhäuser in der nordschwedischen Stadt Skellefteå befindet sich The Wood Hotel. Ein neuer Urlaubsmagnet, der von der Landschaft, der Architektur und einer grünen Zukunftsvision profitiert.
In Schwedens hohem Norden, wo der kürzeste Tag nur 3 Stunden und 45 Minuten dauert, hat sich ein neues, kosmopolitisches Zentrum etabliert. War die Gegend um die Stadt Skellefteå bis zur Jahrtausendwende noch von massiver Abwanderung geprägt, steigt die Einwohnerzahl heute wieder an. So sehr, dass die Stadtverwaltung ein eigenes Zuwanderungsservice für Newcomer eingerichtet hat. Jeder Neuankömmling wird bei der Wohnungssuche und bürokratischen Angelegenheiten unterstützt und erhält eine Welcome Box mit Infos zur Region und kleinen Geschenken. Aber was hat die einstige Bergbaustadt plötzlich so populär gemacht? Die Antwort ist eine wirtschaftliche, stadtplanerische und architektonische Erfolgsgeschichte.
Grüne Industrie braucht Kultur
Das schwedische Unternehmen Northvolt, von zwei ehemaligen Tesla-Mitarbeitern gegründet, eröffnete hier 2021 die erste Gigafactory zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien. Der Bedarf dafür ist enorm. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI erwartete 2020, dass die Nachfrage nach derartigen Zellen allein für die Elektromobilität bis 2030 um den Faktor 20 bis 40 steigen wird. Weil man in der Gegend viel in den Ausbau grüner Energien, insbesondere Wasser- und Windkraft, investiert hat, kann das Unternehmen am Standort klimafreundlich produzieren. Skellefteå ist so zum Aushängeschild einer neuen, grünen Industrie geworden.
„Jetzt war die Frage: Wie bekommt man Ingenieure aus Deutschland und Kalifornien dazu, in eine Gegend zu ziehen, die sehr kalt und dunkel ist?“, fragt Carl Bäckstrand von White Arkitekter und liefert auch gleich die Antwort: „Das führte zu der Einsicht, dass es ein Kulturzentrum braucht, das den Menschen etwas bieten kann.“ Das 2021 eröffnete Sara Kulturhus nach dem Entwurf des schwedischen Architekturbüros gilt als Pionierleistung des konstruktiven Holzbaus. Mit seinen 20 Stockwerken und einer Höhe von 80 Metern zählt es zu den höchsten Hochhäusern der Welt, die zur Gänze aus Holz gebaut sind.
Ein Hotel aus Holz
Im Turm, der über den Sockelgeschossen aufragt, ist The Wood Hotel untergebracht, das das städtische Bauprojekt finanziell tragen sollte. Es gehört zur schwedischen Gruppe Elite Hotels und bietet den Gästen 205 Zimmer und Suiten, drei Restaurants und ein Rooftop-Spa mit Ausblick über die Stadt bis hin zu den umliegenden Wäldern. Das Baumaterial für das spektakuläre Holz-Hochhaus stammt aus der Region, in der es eine lange Holzbautradition gibt. Durch das viele Holz in den Innenräumen haben die Zimmer nordisches Hüttenflair, auch wenn man sich im 18. Stock befindet.
Unser Hotel ist eine eigene Destination, das heißt, viele Gäste kommen nur wegen der Architektur und entdecken erst, wenn sie hier sind, was die Gegend sonst noch zu bieten hat.
Susanne Sigården, Kaufmännische Leiterin im Wood Hotel
Während Hotels für gewöhnlich wegen ihrer Nähe zu Sehenswürdigkeiten gebucht werden, ist dieses selbst eine der größten Attraktionen, wie die Kaufmännische Leiterin Susanne Sigården erklärt: „Unser Hotel ist eine eigene Destination, das heißt, viele Gäste kommen nur wegen der Architektur und entdecken erst, wenn sie hier sind, was die Gegend sonst noch zu bieten hat. Sie interessieren sich sehr für den Bau des Gebäudes und genießen die Atmosphäre und den Geruch des Holzes.“
Bilbao-Effekt unterm Polarkreis
Das Wood Hotel hat den Tourismus in der Region angekurbelt und damit ein weiteres wirtschaftliches Standbein geschaffen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von einer Art Bilbao-Effekt sprechen. Der Begriff bezeichnet die wirtschaftliche und kulturelle Aufwertung von Orten durch Architektur. Er geht auf die Entwicklung der nordspanischen Stadt Bilbao im Zusammenhang mit dem 1997 fertiggestellten Guggenheim-Museum des US-amerikanischen Architekten Frank O. Gehry zurück. Der Bau machte die einst heruntergekommene Industriestadt zu einem florierenden Zentrum von kultureller Relevanz.
Für uns ist es sehr erfreulich zu sehen, wie unsere Architektur das Image eines Ortes und die Marke einer Stadt mitprägen kann.
White Arkitekter, Architekturbüro
Die Stadt Skellefteå und das Wood Hotel wurden vom „Time Magazine“ zu den besten Reisedestinationen im Jahr 2022 gewählt. Viele weitere Publikationen in diversen Hochglanzmagazinen folgten und weckten die Reiselust in Vielen. Dies lockte auch Kreative aus den großen Städten an und bewirkte, dass im ruralen Lappland jetzt ein kosmopolitischer Wind weht – mit hippen Cafés, Kunstgalerien und nordischer Küche auf Michelin-Niveau, die im hoteleigenen Restaurant Bryggargatan serviert wird.
Im Einklang mit der Natur
Die in der Stadt kompromisslos gelebte Nachhaltigkeit reicht vom Biogas-betriebenen Nahverkehr bis zu Elektro-Schneemobilen, auf denen die Touristen emissionsfrei die Weite Lapplands durchkreuzen. Dem Konzept des Urlaubs im Einklang mit der Natur verleiht dies ein glaubwürdiges Framing.
„Für uns ist es sehr erfreulich zu sehen, wie unsere Architektur das Image eines Ortes und die Marke einer Stadt mitprägen kann“, heißt es bei White Arkitekter. Den Erfolg des mehrfach preisgekrönten Kulturzentrums führt man auf das integrative Gesamtkonzept zurück, wie Bäckstrand erklärt: „Sara Kulturhus ist mehr ist als nur ein Gebäude. Es ist Teil der Vision einer Stadt, Teil eines neuen Wirtschaftsgefüges.“
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Sven Burmann, Gustav Svanberg
iThere are no comments
Add yours