Unter vielem anderen ist das Seltsame an Menschen, dass kaum einer mit einem anderen identisch aussieht. Es gibt die genetisch vermittelten Ausnahmen, die Zwillinge. Manche von ihnen schaffen es ins Show-Business, wie einst die Kessler-Zwillinge aus der Zeit meiner Jugend: zwei schöne Damen, die vor der Kamera harmonisch zusammen tanzten. Aber es ist klar, dass auch Zwillinge nicht identisch sind, mögen sie noch so verwechselbar sein. Zugleich sind alle Menschen „irgendwie“ einander ähnlich, man erkennt sofort das Allgemeine an ihnen. „Hier ist ein Mensch“, sang Peter Alexander, eine einsame Größe in derselben Branche wie die Kessler-Zwillinge.
Auch er hatte die Menschlichkeit sofort erkannt! Die artistische Lust, die Vielheit in der Einheit der Menschen abzubilden, und zwar ganz genau, liegt auf der Hand. In Thomas Bernhards „Alte Meister“ spielt so ein Porträt eine Rolle: Tintorettos „Weißbärtiger Mann.“ Tintorettos Bild, das im Showbusiness des Kunsthistorischen Museums seinen Dienst tut, ist ein Meisterwerk, weil es dem Maler gelang, das principium individuationis in Reinkultur zu erfassen, also den stets vereinzelten Menschen – ohne die sozialen und modischen Accessoires von einst.
So etwas spielt sich auch in den Porträt-Fotos von Juergen Teller ab. Aber während der gemalte Klassiker an der Wand des Museums die Idee einer Ordnung widerspiegelt, zeigt der Fotograf von heute das Unaufgeräumte des Daseins und wie sehr die Dinge des Alltagslebens den Menschen ihr Gesicht geben.
Über Jürgen Teller
Der 1964 in Deutschland geborene Juergen Teller ist einer der Stars der zeitgenössischen Fotokunst. In den 1990er Jahren revolutionierte er mit Sitz in London, irgendwo zwischen Kunst, Werbung und Mode, die internationale Modeszene mit Bildern, die sich der üblichen glamourösen Oberfläche widersetzten. Mit einer neuen und individuellen Einstellung zur Fotografie hat er Erfolg in Magazinen wie Vogue, The Face und ID. Für Models wie Stephanie Seymour, Kristen McMenamy, Kate Moss und Claudia Schiffer hat Teller sie ohne Make-up, in Freizeitkleidung, in Schwangerschafts- und Urlaubsfotos aufgenommen, anstatt sie mit glänzender Ästhetik zu versehen. Mit Bildern, die mutwillig Makel zeigen, persifliert er den aktuellen Perfektionsanspruch.
Text: Franz Schuh, Wien, 2023
19 Jan – 25 Feb 2023
Tuesday to Friday 10 am – 6 pm & Saturday 11 am – 4 pm
Thursday, January 19, 6 – 9 pm:
Opening+ JUERGEN TELLER book launch
The Master V + Notes About My Work
Steidl, 2023
Christine König Galerie, Schleifmühlgasse 1a, 1040 Vienna
https://christinekoeniggalerie.com/exhibitions/47857/christine-koenig-galerie-juergen-teller-portraits/installation-views/
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