Text by Martin Novak
Inseln sind immer etwas Besonderes, reale oder mythische Sehnsuchtsorte, oft ein wenig eigenwillig. Perfekt sind sie, wenn sie offen sind für neues, ohne ihre Eigenständigkeit damit aufzugeben.
Inselmenschen haben alle die gleiche Mentalität, überall auf der Welt.
sagt Vincenzo Apuzzo
Vincenzo Apuzzo weiß, wovon er spricht. Seine Eltern stammen zwar vom italienischen Festland, aus Sorrento bei Neapel, er ist aber auf einer Insel geboren, nämlich in England. Gemeinsam mit seiner Frau Stephanie, einer Schweizerin, ist er durch die Welt gezogen, hat viele Jahre in Asien gelebt, um schließlich Sardinien zu landen.
Hier im Nordosten der Insel, in Palau, führen die beiden ein kleines feines Tauch-Center. Täglich führt er in der Saison Gäste mit seinem modernen Tauchboot zu den besten Plätzen im National park „La Maddalena Archipelago“ und dem Marine Park von „Lavezzi“, der zu Korsika gehört. Zackenbarsche, die sich in großer Zahl und beeindruckender Größe an einer Stelle nahe Korsika versammeln, Barrakudas, Muränen, Langusten, Brassen und Meeräschen sind die Highlights, wenn die Taucher in den Kulissen der beeindruckenden Felsformationen die Fauna und Flora unter Wasser erkunden.
Impressionen von Sardinien
„Die Natur ist unser Kapital“, sagt Vincenzo, den hier alle „Winnie“ nennen. Obwohl er schon zehn Jahre hier lebt, ist er ein „Fremder“ geblieben auf Sardinien. Was er aber gelassen nimmt, das gehört eben zur Inselmentalität.
Château Pétrus auf der Insel
Marco Fonnesu ist kein Fremder. Auf Santa Maria, einer der kleinen, kaum besiedelten Inseln des Maddalena Archipels, besitzt seine Familie seit 28 Jahren ein Anwesen namens La Casitta. Hier – mitten im Naturschutzgebiet – hat er aus zwei Villen, die ursprünglich nur für die private Nutzung vorgesehen waren, ein Edel-Resort gemacht, mit dem er an die stolze Tradition der Insel Sardinien als Luxus-Oase für die Superreichen anschließen will. Marco legt zwar auf den „inneren Reichtum“ seiner Besucher Wert, aber ein bisschen äußerer Reichtum schadet angesichts der hohen Ansprüche, die er an das eigene Angebot stellt, ganz und gar nicht.
Sechs Schlafzimmer bietet La Casitta, gerade genug für eine kleine Gruppe inschließlich Bodyguards. Anreisen kann man entweder mit der eigenen Yacht oder it dem Helikopter. Wer beides gerade nicht zur Hand hat, wird von Porto Cervo abgeholt, dem von Aga Khan IV. Anfang der 60er-Jahre gegründeten Urlaubsort für die Reichen und Schönen an der Costa Smeralda.
La Casitta ist nicht nur zum Schlafen da. Es ist auch ein edles Restaurant für bis zu 100 Gäste. Selbstverständlich werden hier nach Möglichkeit regionale Produkte in kulinarische Hochgenüsse verwandelt. Aber die Austern, die Leonardo di Caprio, das (ehemalige) Supermodel Eva Herzigova, Immobilien-Milliardär Thomas Barack, Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo und andere, die ihren Namen nicht in einem Magazin lesen wollen, hier auch serviert bekommen, hat Sardinien nicht zu bieten. Ebenso wenig wie den Château Pétrus oder den Tignanello im Weinkeller des La Casitta.
Trüffeln und Meer
Regional ist eben nicht immer genug. Auch Roberto Pierro, Chef des Restaurants La Gritta, dessen Kreationen den Gaumen mit seiner fantasievollen Küche reizen, so der Guide Michelin, kombiniert sardische Meeres früchte mit Sommertrüffeln aus dem Piemont und eine schlichte Sardine mit türkischem Engelshaar (Kataifi), das er natürlich zuckerfrei zubereitet. Roberto hat das Kochen im Piemont erlernt (was seine Liebe zu den Trüffeln erklärt), war in Spanien, in der Schweiz und in den USA als Koch tätig, bevor er nach Sardinien und in die Küche des Restaurants wechselte, das seiner Frau Simona gehört, die es wiederum von ihrem Vater übernommen hat.
Sie beide lieben Sardinien – angesichts des atemberaubenden Ausblicks auf das karibisch anmutende Mittelmeer von der Terrasse des La Gritta eine leichte Übung. Die sardische Küche hat der gebürtige Apulier („Es gibt hier nur wenige typische Produkte, Fleisch, Käse, Tomaten.“) rasch begriffen. Und bereitet die typische Pasta Apuliens, die Orecchiette („Öhrchen“), mit gereiftem sardischem Ricotta zu – inneritalienische Fusionsküche sozusagen.
Offene Inseln
Dass Inseln an Reiz gewinnen, wenn sie sich der Welt öffnen, erlebt man auch auf den Balearen. Palma de Mallorca gehört heute zu den wichtigsten Urlaubszielen der Welt.
Palma bietet einfach alles – Stadt, Shopping, Strand, Sport.
schwärmen Thomas Holzleithner und Hardy Egger, die Herausgeber von THE Stylemate
Man kann in der 400.000-Einwohner-Stadt die mächtige Kathedrale Le Seu aus dem 16. Jahrhundert bewundern, in internationalen Marken-Stores und lokalen Design-Shops Mitbringsel – auch für sich selbst – erstehen, sich an einem der wunderschönen Sandstrände bräunen oder sich im Meer erfrischen, in einem der 18 Michelin empfohlenen Restaurants speisen und den Abend dann in einem der angesagten Clubs ausklingen lassen. Lokal und international – die perfekt Mischung.
Britisch paradiesisch
Inseln stehen für das Außergewöhnliche. Auf Harris/Lewis, der Doppel-Haupt insel der Äußeren Hebriden Schottlands ist es der Tweed, den es in seiner ursprünglichen Form nur mehr hier gibt. Dass es so bleibt, garantieren ein eigenes Gesetz, der Harris Tweed Act, und eine eigene Behörde, die Harris Tweed Authority. Von der Güte dieses handgewobenen Schafwollstoffes kann man sich aber nicht nur vor Ort überzeugen, sondern auch bei der Triennale del Design in Mailand, bei Ermenegildo Zegna oder Margaret Howell.
Die Kanalinseln Jersey und Guernsey mit ihren kleineren Nebeninseln (die zwischen zwei und 2.000 Einwohner zählen), kennt man als Steuerparadiese – ein Wort, das heute etwas anrüchig klingt – aber sie sind auch Gartenparadiese. Dass trotz der engen Straßen, die kaum Geschwindigkeiten über 70 km/h erlauben, rassige Luxus-Sportflitzer das Straßenbild prägen, führt wieder zurück zu den Steuerparadiesen.
Gefängnisinseln
Inseln sind Sehnsuchtsorte, echte und lite rarische. Nicht immer sind sie aber Paradiese. Der Graf von Monte Christo fand im gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas zwar seinen Schatz und sein Glück dort, ebenso wie Jim Hawkins im Roman „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson. Beide wollten danach aber nichts wie weg. Und schafften es auch. Ob irgendjemand die Flucht von der Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco geschafft hat, ist ungewiss. Clint Eastwood ist es im Film gelungen – möglicherweise. Ein gutes halbes Jahrhundert nach der Gefängnisschließung ist Alcatraz aber tatsächlich ein Sehnsuchtsort geworden – für weit über eine Million Besucher jährlich, die hier angenehmen Grusel genießen.
Eine Art Gefängnis, allerdings ein sehr komfortables, war auch eine der Inseln des Sardinien vorgelagerten Maddalena-Archipels. Dort verbrachte der italienische Freiheitsheld Giuseppe Garibaldi, eine der wichtigsten Figuren des Risorgimento, der italienischen Vereinigungsbewegung, seinen Lebensabend. Allerdings recht luxuriös auf einem Landgut, das er samt der Insel gekauft hatte. Womit sich der Kreis schließt: Das Garibaldi-Haus ist heute ebenso wie Alcatraz ein vielbesuchtes Museum. Von Santa Maria aus ist es nur eine kurze Bootsfahrt dorthin. „Früher waren Inseln oft eine Strafe“, meint Tauchzentrums-Besitzer Vincenzo Apuzzo, dessen Vater seinen Militärdienst auf Sardinien ableisten musste, „heute ist es ein Glück, hier leben zu können.“
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