In Anlehnung an Bergtäler und Flussläufe haben Zaha Hadid Architects das Jinghe New City Culture & Art Centre in China wie eine gigantische schlafende Schlange entworfen. Inklusive vieler Nachhaltigkeits-Features.
Es sind ein paar offensichtliche Gegebenheiten, die die Region in der das neue Technologiezentrum Jinghe New City entsteht, prägen. Bergketten umspielen die Stadt Xi’an. Ineinander verschlungene Täler führen in alle Richtungen. Sie wurden über die Jahrtausende vom Jinghe-Fluss in die Region gegraben. Dieser – zu Deutsch „Gelbe Fluss“ – mäandert bis heute durch die teilweise idyllische Landschaft.
Meister der organischen Formgebung
Und es wären nicht Zaha Hadid Architects (ZHA), wenn sie sich bei ihrem Entwurf für das dort entstehende Jinghe New City Culture & Art Centre an eben diesen natürlichen Formen orientiert hätten. Schließlich gilt das von der 2016 verstorbenen Zaha Hadid gegründete Studio als architektonisches Zentrum der organischen Form.
Rausgekommen ist in diesem Fall eine überdimensionale Schlange, die sich in der Tiefebene windet. Und dabei ganz nebenbei eine achtspurige Autobahn quasi verschlingt. Diese führt unter dem gigantischen Bau hindurch. Die Architekten erklären das in Architektensprache so: „Das Jinghe New City Culture & Art Centre ist ein Echo der gewundenen Täler, die der Jinghe-Fluss durch die Berge und Landschaften der Provinz Shaanxi gegraben hat.“
Komplexer Standort
Fazit jedenfalls ist: Die Jury des für den Bau initiierten Wettbewerbs befand das Konzept als das beste aller eingereichten. Es würde nicht nur optisch alle Anforderungen erfüllen, sondern auch in seiner Nutzbarkeit, so der Tenor. Das bedeutet im Klartext, die Architekten haben den durchaus komplexen Standort des zukünftigen Jinghe New City Culture & Art Centre richtig verstanden und weitergedacht.
Das Jinghe New City Culture & Art Centre ist ein Echo der gewundenen Täler, die der Jinghe-Fluss durch die Berge und Landschaften der Provinz Shaanxi gegraben hat.
Zaha Hadid Architects
So sieht sich die übergeordnete Idee der Jinghe New City als wachsendes Zentrum für die Energie-, Material-, künstliche Intelligenz- und Raumfahrtindustrie. Daraus ergeben sich für ein mögliches Kulturzentrum einige Fragen, die nicht ganz einfach zu beantworten sind. Sollen neue Räumlichkeiten auf die Wissenschaft einzahlen? Gilt es, Gegenpole zu schaffen? Sind die Objekte irrelevant, nur die Art wie sie bespielt werden interessant?
Spannungsfeld zwischen digital und analog
Die siegreichen Architekten haben sich für eine planerische Lösung entschieden, die mit dem Spannungsfeld zwischen analogen, digitalen und futuristischen Welten spielt. Die Grundlage für diesen Weg liefern die kreativen Köpfe von ZHA, in dem die das Jinghe New City Culture & Art Centre in viele unterschiedliche Bereiche gliedern, um so möglichst diverse Welten zu generieren.
Zitat aus der Pressemeldung: „Organisiert als eine Reihe von fließenden Objekten, Schichten und Oberflächen, die mit Höfen und Landschaften verbunden sind, definiert der Entwurf eine Abfolge von inneren und äußeren Kultur- und Erholungsräumen für seine Gemeinschaft.“
Das heißt übersetzt: Es gelingt mit diesem Bau die neue Multimediabibliothek im Norden der „Schlange“ mit dem neuen Theater für darstellende Künste, den Multifunktionshallen, Studios und Ausstellungsgalerien im Süden über erhöhte Höfe, Gärten und Wege so miteinander zu vereinen, dass man sich stets in einem neuen Universum wähnt.
Praxisnähe als heimlicher Trumpf
„Sanft abfallende Rampen bilden ein Tor zum öffentlichen Fußwegenetz des Viertels, das die Geschäfts- und Wohnviertel mit den Parks und dem Fluss im Süden verbindet und den Bewohnern der Stadt einen direkten Zugang zur geplanten U-Bahn-Station ermöglicht“, wird der praktische Aspekte von den Auftraggebern lobend hervorgehoben.
Auch ein klassisches Theater findet Platz
Während also dank Multimediabibliothek und Virtual-Reality-Theatern den Besuchern die digitale Zukunft vor Augen geführt wird, laden überall verteilte öffentliche Lesezonen dazu ein, sowohl analoge als auch digitale Inhalte in Buch- oder Tabletform zu genießen. Auf der Südseite der „Schlange“ befindet sich zudem ein Theater für darstellende Künste. Dieses ist modern aber klassisch konzipiert und bietet bis zu 450 Personen Platz.
Besonders große Anstrengungen haben Zaha Hadid Architects allerdings unternommen, um den erwünschten Nachhaltigkeits-Standards Genüge zu tun. So hat man schon vor Planungsbeginn eine ausgedehnte Evaluierung der Sonneneinstrahlung vorgenommen. Aus diesen Daten entwickelten die Planer das nun vorliegende Beleuchtungskonzept, das zu einem überraschend großen Teil ohne künstliche Beleuchtung auskommt.
Nachhaltiges Jinghe New City Culture & Art Centre
Außerdem ergaben sich aus den gesammelten Daten Lösungsansätze, die schließlich dank Warm- und Kaltluft-Bewegungen eine natürliche Belüftung ermöglichen. Beim Bau selbst will man vorrangig auf Materialien aus lokaler Produktion setzen. Dass der notwendige Strom zu einem Gutteil von eigenen Solarpanelen erzeugt wird und das Regenwasser gesammelt und gesäubert wird, um es im Gebäude zu nutzen, ist fast schon selbstredend.
Lügen haben keine Beine
Schließlich kann man wohl nicht ein der Natur nachempfundenes Gebilde in die Landschaft pflanzen und gleichzeitig auf die ökologischen Auswirkungen pfeifen. Das wäre dann wohl selbst für eine Schlange überraschend verlogen.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Atchain
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