Im Schauweingarten Liknon auf Samos ist die Muskateller-Rebe der Protagonist: Das traditionelle Konzept eines Gebäudes löst sich auf in einen Rundgang zur Erkundung des Lebensraums der Weinstöcke – und der Herstellung des Weinbrands natürlich.
Der Griechenlandurlaub ist Mitte September für die meisten wohl schon vorbei. Im Schrank steht gut verstaut oder gut sichtbar (oder schon halb geleert) ein Souvenir in flüssiger Form: Während die einen zum Ouzo neigen, ist für die anderen nur Metaxa Kult.
Der Metaxa-Weinbrand ist untrennbar mit der hellenischen Republik assoziiert, ist er doch eine griechische Erfindung: Er geht auf den Winzer Spyros Metaxas zurück, der im 19. Jahrhundert vor dem Problem stand, Weinberge mit unterschiedlichen Rebsorten erworben zu haben. So entschied er sich, den Wein zu destillieren und mit einer – auch heute noch geheimgehaltenen – Kräutermischung zu versetzen.
Schauweingarten Liknon in den Weinbergen auf Samos
Die Marke mit Drei- bis Zwölf-Sterne-Versionen – ja nach Lagerdauer – gehört heute zur französischen Spirituosen-Gruppe Rémy Cointreau. Der Konzern setzte im Geschäftsjahr 2022/2023 die Rekordsumme von 1,548 Milliarden Euro um. Den Erfolg dürfte er zu einem großen Teil auch der griechischen Spezialität mit ihrem Duft von Orangenblüten, Rosenblättern und Aprikosen und dem vanilligen Geschmack verdanken.
Wer von dem Getränk aus alten Muskatweinen nicht genug bekommen kann, und bereits jetzt den nächsten Griechenland-Aufenthalt plant, kann dies mit einem Besuch beim von K-Studio entworfenen Schauweingarten Liknon verbinden.
Die Designer von K-Studio hatten zum Ziel, die Marke Metaxa noch einmal ganz stark mit ihren Wurzeln zu verbinden. Wo anders hätte man also den Schauweingarten Liknon realisieren können, als im 100 Jahre alten Weinberg, in dem einst Spyros Metaxa experimentierte? Dort, auf der Insel Samos, inmitten der Reben, werden die Ursprünge des einzigartigen Produkts stilgerecht erklärt und gezeigt.
Der Weinberg liegt unterhalb des traditionellen Dorfes Vourliotes, 800 Meter über dem Meeresspiegel und unter dem Einfluss des nördlichen Meltemi – das ist der vorherrschende Wind der Sommermonate in der Ägäis. Er prägt das dortige Mikroklima und mindert die Hitze des Sommers.
Kein Gebäude, vielmehr eine „Schaulandschaft”
Der Mensch hat dem Berghang die produktive Landschaft einst von Hand abgetrotzt. Die Reihen von Plateaus werden von Steinmauern gehalten, die Felsen sind im Gelände kunstvoll angeordnet. Der Hang wurde so zur kultivierbaren Fläche.
Um an diese Ursprünge anzuknüpfen, hat der Entwurf von K-Studio darauf abgezielt, die Dominanz der Terrassenlandschaft hervorzuheben und zu erhalten. Ein Weg wurde entlang der Steinmauern angelegt und eingebettet.
„Topos” und „Chronos” als Leitmotiv
Das Markenhaus im Norden der Insel, an den Ausläufern des Naturschutzgebietes Oros Karvouni, lässt die Besucherinnen und Besucher in das Erbe eintauchen und verstehen, was einen Metaxa auszeichnet. Von den Produktionsprozessen bis hin zum abschließenden Genuss ist man eingeladen, mit allen Sinnen zu erforschen.
Der „Topos“, der Ort, wird durch einen Querschnitt durch die Steinmauern nahegebracht. Durch einen Einschnitt in die Landschaft wird man im Liknon unter die Erde geführt und betritt einen Raum, der nicht nur von den satten Gerüchen der Erde durchdrungen ist.
Der Weinstock, von unten bis oben sichtbar gemacht
Durch eine Glasöffnung werden die Erdschichten und die Pflanze selbst sichtbar, sowohl ober- als auch unterirdisch, von den Wurzeln bis zum Rebstock und den Früchten. Wissbegierige erfahren hier einiges über die Qualitäten des Terroirs.
Die zweite Station des Liknon ist „Chronos“, die Zeit, ein wichtiger Bestandteil des Reifeprozesses der Früchte nach der Ernte.
So schmecken und riechen 40 Jahre
Dieses Konzept wurde in einem Metaxa-Keller umgesetzt, in dem unterschiedliche spezielle Fässer aufbewahrt werden. Die Reifung können Besucherinnen und Besucher anhand der verschiedenen Kostproben, anhand von Farbe, Geruch und Geschmack nachvollziehen.
Als Endpunkt landen alle an der Metaxa Bar, wo man entspannt die besten Destillate der Marke genießen kann. Die Außenterrasse mit ihrer hängenden, von Weinreben umrankten Pergola vervollständigt die Erfahrung.
Während des gesamten Rundgangs ist das Gebäude in verschiedenen Konfigurationen subtil in die Umgebung des Weinbergs verwoben. Die architektonische Sprache der wellenförmigen Steinbänder wird um die Innenräume und Höfe, die sich nahtlos in die Umgebung einfügen, erweitert.
Durch die Verwendung und Übernahme der ursprünglichen Handwerkskunst der Steinstapelung, wie sie besonders in Samos zu bestaunen ist, gelang es K-Studio, die Spontaneität der Landschaft in Geometrie und Materialität nachzubilden.
Die „unvermeidliche Natur des Tals”
Die Mauern organisieren und ordnen die „unvermeidliche Natur des Tals” – und dies bis hin zu einem „unerwarteten Crescendo”, wenn man die Metaxa-Bar wieder verlässt: Eine der Terrassen „schwebt” über dem Boden. Der Ausgang führt einen zurück aus der Dunkelheit, aus dem unterirdischen Keller, hin zum Licht und der Leichtigkeit und dem atemberaubenden Blick auf das Meer.
K-Studio lässt sich vom Kontext leiten, sodass Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsgestaltung eine einzigartige Gesamterfahrung ermöglichen, erklärt Ko-Gründer Dimitris Karampatakis. Der Ansatz lasse sich auf Projekte jeder Größenordnung anwenden, indem „wir größere und komplexere Arbeiten wie eine Sammlung kleinerer Studien behandeln“.
Text: Linda Benkö
Fotos: Claus Brechenmacher, Reiner Baumann, Nikos Daniilidis, v2com
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