In der Innenstadt von Denver entsteht das Hotel Populus. Auffällig sind sein dreieckiger Grundriss und die an eine Zitterpappel erinnernde Fassade. Außerdem soll es das erste Energie-positive Hotel der USA werden.
Populus tremuloides: Die Amerikanische Zitterpappel oder Amerikanische Espe gehört zur Familie der Weidengewächse. Genau daran erinnert die kühne Fassade des Hotel Populus, das derzeit in der Innenstadt von Denver errichtet wird. Auch seinen Namen leitet das Hotel von diesem in den USA und Kanada ebenso weit verbreiteten wie populären Baum ab.
Doch nicht nur die helle Rinde der Pappeln dient den Erbauern des Populus als Vorbild. Auch die sogenannten Aspen Eyes inspirierten das Architekt:innen-Team rund um Jeanne Gang, Gründerin und Chefin des Studio Gang, zu seinem Entwurf. Was die Aspen Eyes am Stamm der Bäume, sind die Fenster in der Fassade des in Weiß gehaltenen Hotels. Alle Fenster und anderen Öffnungen in der Außenhülle des Hotels werden so gestaltet, dass sie Aspen Eyes ähneln.
Diese Aspen Eyes (Espenaugen) entstehen, wenn die wachsende Zitterpappel alte Äste oder solche, die nicht genug Sonnenlicht erhalten, abwirft. An den Stämmen bleiben dann dunkle „Narben“ zurück, die die Form eines Auges haben und in Summe ein sehr charakteristisches Muster auf der papierartigen Rinde der Bäume hinterlassen. Bei nordamerikanischen User:innen von Social-Media-Plattformen sind diese geheimnisvollen Aspen Eyes zudem ein sehr beliebtes, meist mythisch romantisch konnotiertes Fotomotiv.
Das Populus selbst, Bauträger ist die Urban Villages-Gruppe, soll neben seiner Funktion als Hotel auch als eine Art soziales und kulturelles Zentrum in der Innenstadt Denvers, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Colorado, fungieren. Als Bindeglied zwischen den Wohngebieten der Stadt sowie den Geschäfts- und Büro-Bezirken als auch dem Ausgeh- und Kunstviertel. Architektonisch soll das Populus durch seine dreieckige Grundform „wie ein Schiff, das durch das Meer gleitet“, wirken.
Grundstücksform als Herausforderung
Das dreieckige Grundstück an der Kreuzung von Colfax Avenue, 14th Street und Court Place galt vor dem Baubeginn als eher unattraktiv. Doch es zeichnet sich durch seine einzigartige Lage, nur wenige Blocks vom Colorado Convention Center und einer riesigen Einkaufs-Mall entfernt, aus. Der direkt angrenzende Civic Center Park verlieh dem Bauplatz zusätzlichen Reiz.
Durch seine zentrale Lage und die dreieckige Grundfläche soll das Populus auch eine Brücke zwischen den nahen Rocky Mountains an der Peripherie, dem Denver County sowie der Stadt Denver und ihren Besuchern und Bewohnern schlagen, indem es sich selbst in die jeweilige Richtung beziehungsweise für die Menschen öffnet. Auch die skulpturale Form des Populus soll zu dieser Schnittstellenfunktion beitragen.
Für diese Öffnung stehen die extrem hohen Fenster und Glasflächen im unteren Teil des Hotels, die sich beim Eingang über mehrere Stockwerke ziehen. Sie sollen den Gästen Ausblicke auf das Stadtleben, vor allem aber den flanierenden Bewohner:innen und Besucher:innen Denvers Einblicke in das Hotel, dessen Empfangshalle, das Restaurant und die allgemeinen Aufenthaltsbereiche gewähren.
Fenster als Schnittstelle von Hotel und Stadt
„Die besondere Form der Fenster stellt eine wesentliche Schnittstelle zwischen Innen und Außen dar und erweitern die Hotelzimmer zur Stadt und darüber hinaus bis zu den Rocky Mountains“, erklärt Architektin Gang.
Lider als Design- und funktionales Element
Außerdem sind die Aspen Eyes am Populus an ihrem oberen Ende mit einer Abdeckung versehen, die wie ein Lid wirkt und den augen-ähnlichen Charakter der Form zusätzlich unterstreicht. Diese „Lider“ sind nicht nur ein gestalterisches Design-Element, sondern haben auch eine ganz klare Funktion. Sie spenden Schatten und leiten das Regenwasser um die Fenster herum, halten so Schmutz und Staub fern.
Diese auch als „Deckel“ bezeichneten Elemente über den Fenstern sind zudem auf jeder Seite unterschiedlich, an der jeweiligen Sonneneinstrahlung ausgerichtet, gestaltet. Diese an die klimatischen Gegebenheiten Denvers angepasste Konstruktion soll weiters einen Beitrag zu Verbesserung der Energieeffizienz des Gebäudes leisten.
„Die Fenster und die Fassade sind so gestaltet, dass sie eine möglichst hohe Umweltleistung erbringen, indem sie isolieren, Schatten spenden und das Regenwasser ableiten. Das Ganze ist Teil einer übergeordneten, grünen Vision von Architektur“, erklärt Architektin Gang.
Außerdem weisen die Fenster, je nachdem in welcher Höhe sie angebracht sind, völlig unterschiedliche Größen auf. Im Erdgeschoss und in den untersten Stockwerken sind sie bis zu 30 Feet (knapp mehr als 9 Meter) hoch. Form und Größe der Fenster variieren aber nicht nur mit der Höhe und ihrer Lage, sondern auch mit ihrer Funktion.
Glasflächen und ikonisches Fassadenmuster
Diese Vielfalt der Fenstermodule ergibt letztendlich das ikonische Fassadenmuster des Populus und spannt einen dramatischen Bogen von den großen Glasflächen im Erdgeschoss bis hin zu den kleineren Öffnungen, die den Gästen Ausblicke auf das Stadtleben erlauben.
„Die Textur und der Rhythmus der skulpturalen Fassade sind eng mit der Hotelfunktion des Gebäudes verbunden. Jede vertikale Ausbuchtung hat die Breite eines Gästezimmers und ihre Fenstergröße ändert sich entsprechend dem Charakter der öffentlichen und privaten Räume des Gebäudes“, erklärt Gang.
Die Fensternischen in den Zimmern des Hotels können beispielsweise als Arbeitsplatz genutzt werden.
Beim Betreten der Zimmer sollen die Hotelgäste durch die großzügigen Fenster, die einen atemberaubenden Blick auf das nahegelegene Colorado State Capitol und den Civic Center Park sowie die Gebirgszüge der Rockys im Hintergrund bieten, begrüßt werden. In einigen Zimmern können die Fensternischen sogar „bewohnt“ werden, lassen sich mit Sitzgelegenheit oder Schreibtisch in funktionale Zonen verwandeln. Das soll die Hotel-Gäste näher an die Natur heranführen.
Das Erdgeschoss präsentiert eine bunte, vielseitige Mischung aus Restaurants und Geschäften. Im zweiten Stock sind Tagungsräume, Co-Working-Zonen sowie Säle für Hochzeiten, Feiern oder Pop-up-Events angesiedelt. In der obersten Etage des Hotels wird es eine Reihe von Suiten im Hospitality-Stil geben.
Begrünte Dachterrasse und Fernblick
Eine begrünte, mit regionaler Vegetation bepflanzte, weitläufige Dachterrasse thront über dem Hotel. Eingeschnitten an der sich konisch verengenden Seite des 13-stöckigen Turms zieht sie sich über mehrere Stockwerke. Für den Entwurf dieser Gartenlandschaft zeichnen die lokalen Landschaftsarchitekt:innen von Superbloom verantwortlich. Von dieser Warte aus sollen die Besucher ihre Blicke in die Ferne oder über die Skyline der Stadt schweifen lassen. Außerdem soll dieses Areal an der Gebäudespitze der heimischen Tierwelt und Insekten einen attraktiven Lebensraum bieten.
In den obersten Geschossen sind zudem eine Bar und ein Restaurant, auch für Nichthotelgäste zugänglich, sowie eine öffentliche Aussichtsplattform angesiedelt.
Das rund 50 Meter hohe Populus wird 250 Hotelzimmer und 40 Mikroapartments sowie 13 Geschäfte, diverse Konferenzräume und einen großflächigen Ballsaal beherbergen. Die Bruttogeschossfläche beträgt knapp 13.500 Quadratmeter.
Populus wird nicht nur das erste CO2-positive Hotel des Landes sein, sondern auch ein atemberaubendes architektonisches Wahrzeichen, das die Skyline von Denver für immer verändern und zum architektonischen Erbe der gesamten Region Mountain West beitragen wird.
Jon Buerge, Partner, Präsident und Chief Development Officer von Urban Villages
Für das Interior Design des Hotels zeichnet das Studio DesignAgency, mit Büros in Toronto, Washington D.C., Los Angeles und Barcelona international tätig, verantwortlich. Das Beleuchtungs- und Lichtkonzept stammt von der mit dem offiziellen Zertifikat „Women Owend Business“ ausgezeichneten LS Group mit Hauptsitz in Denver.
Jeanne Gang wurde 2022 für ihr Gesamtwerk mit dem mit 100.000 US-Dollar dotierten, prestigeträchtigen ULI Prize for Visionaries in Urban Development (visionäre Stadtentwicklungs-Projekte) ausgezeichnet.
Zukunftsvisionen nehmen Form an
„Wir helfen Menschen, Organisationen und Kommunen dabei, ihre Zukunft zu gestalten“, lautet einer der Leitsätze des Studio Gang. Das Unternehmen für Architektur und Urban Design hat seinen Hauptsitz in Chicago und betreibt weitere Niederlassungen in New York, San Franzisco und Paris.
Dementsprechend wird das Populus auch als das erste klima-positive bzw. C02-positive Hotel der USA angepriesen. Diese Positionierung ist allerdings umstritten. Auch wenn die Absicht des Immobilienentwickler Urban Villages durchaus positiv zu bewerten ist. Doch mit aktuell vorfügbarer Technologie sei es unmöglich, ein C02-positives Gebäude zu entwickeln, so die kritischen Stimmen. Zudem ziehe Urban Village für seine Berechnungen der Klimabilanz auch jene Bäume heran, die in einem eigenen Aufforstungsprojekt gepflanzt werden.
Urban Villages ließ auf Basis der gesamten Planungen den für den Bau und Betrieb erforderlichen Energiebedarf und die CO2-Emissionen ermitteln. Als Ausgleich für diese, allerdings weitgehend auf Schätzungen beruhenden Werte kündigte die Immobiliengesellschaft zunächst an, irgendwo im amerikanischen Westen Bäume für „mehr als 5.000 Hektar Wald“ zu pflanzen. Später wurde dieser Plan sogar auf mehr als 70.000 Bäume, die in Kooperation mit dem U.S. Forest Service gesetzt werden sollen, revidiert.
Aus Äckern werden Weiden
Außerdem will Urban Villages die Umwandlung von Acker- in Weideland unterstützen. Durch den Einsatz von tierischen Ausscheidungen sollen dabei die ausgelaugten Böden wieder belebt, die organische Materie im Untergrund vermehrt und so ein zusätzlicher Puffer zum Binden von Kohlenstoffdioxid geschaffen werden.
Aber letztendlich sage das nichts über die Nachhaltigkeit des Hotels aus, merken Skeptiker an. Denn mit entsprechend vielen „Ersatz-Bäumen“ könne selbst das energieineffizienteste Gebäude als CO2-positiv eingestuft werden. Selbst wenn die gepflanzten Bäume genügend Kohlendioxid binden würden, wäre noch kein Bauwerk mit einem CO2-Fußabdruck von Null geschaffen, sondern lediglich ein „Netto-CO2-freies“ Gebäude. Doch dabei handle es sich um zwei völlig unterschiedliche Dinge, so die Kritik: „Netto-Null ist ein Buchhaltungstrick, keine Umweltstrategie.“
Tatsächlich verfügt das Populus über mehr „grüne Elemente“ als viele andere, neu errichtete Gebäude. Die Anstrengungen von Urban Villages in Zusammenarbeit mit Jeanne Gang, den Energieverbrauch zu minimieren, werden durchaus auch gewürdigt und gelten vielfach als beachtenswert. Dazu wurde als Kriterium nicht nur die Betriebsenergie herangezogen, die das Hotel nach seiner Eröffnung benötigt, sondern auch die sogenannte „Graue Energie“, die generell für den Bau des Hotels eingesetzt werden muss.
Um die Zukunft unserer Erde wirklich zu beeinflussen, reichen CO2-neutrale Entwicklungen nicht mehr aus. Populus wird vom Bau bis zum laufenden Betrieb vollständig CO2-positiv sein und gleichzeitig als ein lebendiges soziales Zentrum für Einheimische und Gäste fungieren.
Grant McCargo, Mitbegründer, CEO und Chief Environmental Officer sowie Partner von Urban Villages
Gang und ihr Team entwickelten u.a. eine Gebäudehülle, welche die Heiz- und Kühllasten minimiert. Um den Bedarf an grauer Energie zu senken, wurden die diversen Zulieferer aufgefordert, recycelte Materialien, die möglichst aus der Region stammen sollten, sowie kohlenstoffarmen Beton zu verwenden.
Flugasche statt Zement
Laut Jon Buerge, Chief Development Officer und Partner bei Urban Villages, wird das Populus mit ECOPact Low-Carbon Concrete gebaut, einem Holcim-Produkt, das Flugasche anstelle von Zement verwendet. Das reduziert den Kohlenstoffgehalt des Betons um rund 30 Prozent.
Keine Parkplätze, keine Garage
Außerdem verzichtet das Populus als erster Hotelneubau in Denver auf eigene Parkplätze und Garagen. Denn Parkhäuser werden aus Stahl und Stahlbeton errichtet, was letztendlich den CO2-Ausstoß des Gebäudekomplexes deutlich erhöhen würde. Mit dem Verzicht auf eigene Parkplätze sollen die Besucher zudem animiert werden, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Dies wiederum soll zu einer fußgängerfreundlicheren Umgebung rund um das Hotel führen und ganz allgemein den CO2-Fußabdruck des Populus verringern.
Das Populus öffnet voraussichtlich Ende 2023 und soll dann nicht nur ein 13-stöckiges Hotel sein, sondern ein architektonisches Wahrzeichen und bedeutender Meilenstein für die Zukunft des nachhaltigen Reisens und eines nachhaltigen Planeten.
Text: Albert Sachs
Fotos: Studio Gang
Foto: DenverInfill
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