Die Casa S fällt nicht nur aufgrund ihres spektakulären Standorts an der felsigen Küste Chiles auf. Vielmehr besticht das Familien-Ferienhaus durch sein einzigartiges Design, das einem Spielzeug nachempfunden wurde.
Fährt man von Santiago de Chile rund 150 Kilometer in nordwestlicher Richtung, erreicht man den Küstenort Papudo in der Provinz Petorca. Am westlichen Ende der 6.000-Seelen-Gemeinde ragt eine Landzunge in den Pazifik: Punta Pite. Eine kleine, felsige Halbinsel, die nun das zweite Zuhause für ein Ehepaar und seine drei Kinder darstellt.
Die Familie beauftragte die beiden Architekturbüros Gubbins Polidura Arquitectos und Más Arquitectos aus Santiago damit, ihr Feriendomizil zu entwerfen. Ein nicht alltägliches Unterfangen. So handelt es sich beim 6.500 Quadratmeter großen Grundstück der Auftraggeber um eines, das nach 100 Metern Länge an einer steilen, felsigen Klippe endet. Doch sogar dieser außergewöhnliche Standort wurde vom – nicht minder außergewöhnlichen – Design noch übertroffen.
Spielerisch inspiriert
„Da der Landstrich zum Meer leicht abfallend ist, bestand eines der Hauptziele des Projekts darin, vorab eine Ebene zu schaffen, die ein Wohnhaus auf diesem Hang erst möglich macht“, so die Architekten. Man entwarf ein „großes Podest, auf dem man nicht nur wohnen, sondern auch die Kraft der Umgebung aufsaugen kann: die Natur, den Blick aufs Meer und die Sonnenuntergänge.“ So entstand ein zweistöckiges Gebäude. Ein V-förmiges Betonfundament, obenauf mit einem verglasten Pavillon versehen. Kurz: Die Casa S, das S-Haus.
Dieses fällt von oben betrachtet vor allem durch das außergewöhnliche, schiffsschraubenförmige Äußere des Pavillons auf. Genauer: Durch dessen Fidget-Spinner-Design. Tatsächlich diente das bekannte Handkreisel-Spielzeug als Inspiration für den Entwurf – und für den Namen des Hauses, steht das „S“ in Casa S doch für „Spinner“.
Während der gläserne Bereich mit seinen drei „Rotorblättern“ wie ein Leuchtturm aus den Felsen ragt, wurde sein Betonpodest so in das Gelände eingebettet, dass es von vielen Standpunkten in der Umgebung aus kaum sichtbar ist. „Das minimiert den Eindruck eines wuchtigen Hauses in der Landschaft“, heißt es von den Studios. „Befindet man sich im Pavillon im Obergeschoss, verschwindet der Rest des Hauses geradezu.“
Natürlich integriert
Beim 420 Quadratmeter großen Innenbereich der Casa S trennten die Architekten die privaten Bereiche von jenen, die auch gesellschaftlich genutzt werden. Im Obergeschoss, dem Glaspavillon, befinden sich daher – jeweils in einem „Flügel“ des Spinners – die Küche, der Essbereich und das Wohnzimmer. Hier gibt es keine einzige undurchsichtige Wand; „durch die vom Boden bis zur Decke reichende Verglasung sind die Räume spürbar in das natürliche Gelände integriert“, wie es das Architektenteam beschreibt. Dazu trägt auch der Granitboden bei. Dieser geht nämlich nahtlos in den Außenbereich (in dem sich ein Pool befindet) über, sodass die Innenräume noch direkter, noch intensiver mit der Landschaft um sie herum verschmelzen.
Jeder der drei Räume im Pavillon weist in der Mitte eine kreisrunde Vertiefung auf: Für den Essbereich, die Couch beziehungsweise die Kücheninsel. Ein ebenfalls kreisrunder Abgang in der Mitte des Spinners führt mittels Wendeltreppe hinab in den Privatbereich des S-Hauses im Betonfundament. Dieses wurde zum Pavillon in Richtung Meer versetzt platziert; die Überlappung sorgt dafür, dass beide Ebenen separat in die Landschaft integriert sind, so Gubbins Polidura Arquitectos und Más Arquitectos. Im Untergeschoss findet man das elterliche Schlafzimmer sowie die drei Kinderzimmer, allesamt mit Blick auf die Küste und das Meer.
Sicher interagiert
Der Bezug zur Natur stand auch beim eigentlichen Bau im Fokus der Verantwortlichen. Neben Sichtbeton verwendete das Team im gesamten Haus eine Palette an natürlichen Materialien wie Naturstein und Brettsperrholz.
Angesichts der hohen seismischen Aktivität in Chile mussten die Architekten beim Entwurf des Gebäudes zudem auf Erdbebensicherheit achten. Der Glaspavillon liegt auf einer Betonplatte, die ihrerseits auf 21 Stahlstützen von jeweils mindestens 2,3 Metern Höhe ruht, wie das Team erklärt: „Dadurch wird eine Struktur-Verformung bei Beanspruchung vermieden“, so das Team.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Roland Halbe, Cristobal Palma
iThere are no comments
Add yours