Die Biennale der Architektur findet bis Sonntag, den 26. November 2023 in Venedig statt und wird von der Wissenschaftlerin, Pädagogin und Bestsellerautorin Lesley Lokko kuratiert: „Architekten haben die einmalige Gelegenheit, ehrgeizige und kreative Ideen vorzubringen, die helfen, uns eine gerechtere und optimistischere gemeinsame Zukunft vorzustellen“.
Lesley Lokko ist die Gründerin des African Futures Institute, das 2020 in Accra, Ghana, als Postgraduiertenschule für Architektur und Plattform für öffentliche Veranstaltungen gegründet wurde. Im Jahr 2015 gründete sie die Graduate School of Architecture in Johannesburg. Sie hat im Vereinigten Königreich, in den USA, Europa, Australien und Afrika unterrichtet. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen für ihre Beiträge zur Architekturausbildung.
„Neue Technologien tauchen ständig auf und verschwinden wieder – so Lesley Lokko – und geben uns ungefilterte Einblicke in das Leben in Teilen der Welt, die wir wahrscheinlich nie besuchen, geschweige denn verstehen werden. Aber nah und fern gleichzeitig zu sehen, ist auch, wie Du Bois und Fanon es einst formulierten, eine Form des „doppelten Bewusstseins“, des inneren Konflikts aller untergeordneten oder kolonisierten Gruppen, die die Mehrheit der Welt beschreiben, nicht nur in den so genannten Entwicklungsländern, der Dritten und der arabischen Welt, sondern auch „hier“, in den Metropolen und Landschaften des globalen Nordens.
In Europa sprechen wir von Minderheiten und Vielfalt, aber die Wahrheit ist, dass die Minderheiten des Westens die globale Mehrheit sind – Vielfalt ist unsere Norm. Es gibt einen Ort auf diesem Planeten, an dem all diese Fragen der Gleichberechtigung, der Rasse, der Hoffnung und der Angst zusammenlaufen und sich vereinen. Afrika. Auf einer anthropologischen Ebene sind wir alle Afrikaner. Und was in Afrika geschieht, betrifft uns alle“.
Lesley Lokko erläuterte ihre Wahl, dass der Titel auf mehreren Ebenen funktioniert:
„Erstens: Afrika ist das Labor der Zukunft. Wir sind der jüngste Kontinent der Welt, mit einem Durchschnittsalter, das halb so hoch ist wie in Europa und den Vereinigten Staaten, und ein Jahrzehnt jünger als in Asien. Wir sind der Kontinent, der sich am schnellsten urbanisiert, mit einer Wachstumsrate von fast 4 % pro Jahr. Dieses rasche und weitgehend ungeplante Wachstum geht im Allgemeinen auf Kosten der lokalen Umwelt und der Ökosysteme, wodurch wir sowohl auf regionaler als auch auf planetarischer Ebene zu den Hauptverursachern des Klimawandels gehören. Wir sind nach wie vor der Kontinent mit den meisten Impfungen (nur 15 %), verzeichnen aber wir stehen oft auf der falschen Seite der Hoffnung und der Geschichte, doch die Widerstandsfähigkeit, die Eigenständigkeit und die lange, lange Geschichte der Gesundheitsversorgung an der Basis haben das Blatt plötzlich zu unseren Gunsten gewendet.
Die lange und traumatische Geschichte der Zwangsmigration durch den transatlantischen Sklavenhandel ist der Boden, auf dem heute überall auf der Welt Kämpfe für Bürgerrechte und eine zivilere Gesellschaft ausgetragen werden. Bei all dem Gerede über Dekarbonisierung vergisst man leicht, dass schwarze Körper die ersten Arbeitskräfte waren, die die europäische imperiale Expansion vorantrieben, die die moderne Welt geformt hat. Rassengleichheit und Klimagerechtigkeit sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Aber Hoffnung ist eine mächtige Währung. Hoffnung zu haben, bedeutet, menschlich zu sein. Auf einer zutiefst persönlichen Ebene verdanke ich meine heutige Anwesenheit an diesem Tisch den unermüdlichen Forderungen nach einer gerechteren, inklusiveren und gerechteren Welt, für die Generationen vor mir gekämpft haben. Die Vision einer modernen, vielfältigen und integrativen Gesellschaft ist verführerisch und überzeugend, aber solange sie ein Bild bleibt, ist sie eine Fata Morgana. Es braucht mehr als nur eine Darstellung, und Architekten sind historisch gesehen die Hauptakteure bei der Umsetzung von Bildern in die Realität.
Zweitens ist die Biennale di Venezia selbst auch eine Art Zukunftslabor, eine Zeit und ein Raum, in dem Spekulationen über die Relevanz der Disziplin für diese Welt – und die zukünftige Welt – stattfinden. Heutzutage wird das Wort „Labor“ eher mit wissenschaftlichen Experimenten assoziiert und ruft Bilder von einer bestimmten Art von Räumen oder Gebäuden hervor. Richard Sennetts Untersuchung des Wortes „Werkstatt“, von dem sich das Wort „Labor“ ableitet, vertieft jedoch das Konzept der Zusammenarbeit auf eine andere Weise. In der antiken Welt, sowohl in China als auch in Griechenland, war die Werkstatt die wichtigste Institution, in der das bürgerliche Leben verankert war.
Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg konzipierte Booker T. Washington, ein ehemaliger Sklave, ein Projekt, bei dem freigelassene Sklaven, die sich von der Sklaverei erholten, ihre Heimat verließen, an zwei Modelleinrichtungen, den Hampton und Tuskegee Instituten, ausgebildet wurden und dann in ihre Heimatgemeinden zurückkehrten. Wichtig ist, dass während dieser vorübergehenden Umsiedlung die Zusammenarbeit durch direkte Erfahrungen und den täglichen Kontakt miteinander auf Augenhöhe erfolgt.
Wir stellen uns unsere Ausstellung als eine Art Werkstatt vor, ein Labor, in dem Architekten und Praktiker aus einem erweiterten Bereich kreativer Disziplinen Beispiele aus ihrer zeitgenössischen Praxis zeigen, die dem Publikum – Teilnehmern und Besuchern gleichermaßen – einen Weg aufzeigen, den sie durchlaufen können, um sich selbst vorzustellen, was die Zukunft bringen kann.
Die 18. Internationale Architekturausstellung wird von jedem Land in seiner eigene Ausstellung in den Pavillons der Giardini und des Arsenale sowie im historischen Zentrum von Venedig präsentierz. Auch bei dieser Ausgabe wird es wieder eine Reihe von Begleitveranstaltungen geben, die von internationalen Institutionen organisiert werden.
Offizielle Website der Biennale Architettura 2023: www.labiennale.org
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