Architekturbüro LUO Studio: Der universelle Raum

Das Architekturbüro LUO Studio hat ein kostengünstiges, modulares Holzbausystem entworfen. Das Longfu Life Experience Center ist der Prototyp und kann nach Bedarf verkleinert, vergrößert oder abgebaut und umgesiedelt werden.

Als Mies van der Rohe 1956 die Crown Hall in Chicago entwarf, nannte er sie einen universellen Raum. Sie ist das Hauptgebäude des College of Architecture, Planning and Design des Illinois Institute of Technology. Auch heute noch – fast 70 Jahre nach ihrer Errichtung – gilt sie als eines der bedeutendsten Gebäude der Moderne. „Ich glaube, das ist die klarste Konstruktion, die wir je geschaffen haben, und sie drückt am besten unsere Philosophie aus“, erklärte van der Rohe damals. 

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Eigentlich nur als temporäres Verkaufsbüro für Immobilien gedacht, schuf LUO Studio ein universelles, modulares Bausystem.

Das Zeitgemäße an der Crown Hall ist der stützenfreie Raum auf einer Grundfläche von 36 mal 67 Meter und die hohe Flexibilität, die damit einhergeht. Also genau jene zum Mantra erhobene Anforderung, die in der Architektur heute angestrebt wird. Denn je wandelbarer ein Gebäude ist, umso länger hat es Bestand. Ressourcen und Primärenergien werden somit im Sinne der Klimaziele effizienter genutzt und – im Idealfall – im Stoffkreislauf gehalten.

Klare Entscheidung für den Holzbau

Einen Raum zu schaffen, der seine Funktion nach Bedarf ändern kann, das strebten auch die Architektinnen und Architekten von LUO Studio an. Obwohl das Longfu Life Experience Center in der chinesischen Stadt Puyang nur als temporäres Verkaufsbüro für Immobilien gedacht war, wollte man mehr als bloß einen Container aufstellen. Entstanden ist am Ende ein Gebäude, das ein immersives Erlebnis bietet, die Gegend aufwertet und zugleich komplett rückbaubar ist.

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Von der Natur abgeschaut: Die modularen Stützen wachsen wie Bäume empor.

Das Architekturbüro LUO Studio mit Sitz in Peking hat bereits viele Holzbauprojekte umgesetzt, unter anderem auch einen spektakulären Holzkuppelbau im Kreis Xiuwu. Dass die Wahl auch bei diesem Projekt auf Holz fiel, lag auch am ökologischen Engagement des Auftraggebers. 

Der natürliche Baustoff Holz war ganz eindeutig die beste Wahl für das Gebäude und die Corporate Identity des Kunden.

LUO Studio, Architekturbüro

„Ein nachhaltiger Lifestyle war genau das, was der Bauherr mit dem Verkaufszentrum vermitteln wollte“, so LUO Studio. „Der natürliche Baustoff Holz war ganz eindeutig die beste Wahl für das Gebäude und die Corporate Identity des Kunden.“

Ein multifunktionales Tragwerk

Auch wenn ihnen Mies van der Rohes Crown Hall als Inspiration diente, gingen die Designer ihren universellen Raum auf eine andere Art und Weise an als der Avantgardist der Moderne. Nicht den weitgespannten, stützenfreien Raum strebten sie an, sondern ein multifunktionales Tragwerk und einen möglichst funktionsfreien Raum.

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Das Longfu Life Experience Center hat ein multifunktionales Tragwerk aus Holz.

Dafür setzten sie einerseits auf eine Holzbauweise mit einfach reproduzierbaren Modulen aus standardmäßigem Bauholz. Dies sorgte nebenbei auch dafür, dass die Baukosten überschaubar blieben. Andererseits limitierten sie die funktionalen Bereiche, wie Treppenaufgänge, Bäder und Büros, auf kleinstmögliche räumliche Einheiten.

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Im oberen Stock befindet sich ein Spielbereich für Kinder.

Wir trennten Funktion und Raum von einander, sodass es keine funktionalen Einschränkungen der Räume gibt.

LUO Studio, Architekturbüro

Gebäudetechnik und Leitungen packten sie in das modulare Tragwerk, das an manchen Stellen auch Tische und Sitzgelegenheiten ausbildet. „Auf diese Weise trennten wir Funktion und Raum von einander, sodass es keine funktionalen Einschränkungen der Räume gibt.“

Modulare Custersäulen

Das Longfu Life Experience Center ist ein Paradebeispiel für biophiles Design. Die komplett verglaste Fassade hebt die Grenze zwischen Innen und Außen auf. Die Pflanzen vor dem Gebäude scheinen somit Teil des – bis auf wenige Ausnahmen – wandlosen Raums zu sein.

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Für das modulare Bausystem kommen handelsübliche Hölzer zum Einsatz.

Die modularen „Clustersäulen“, wie die Architekten sie nennen, können mit handelsüblichen Hölzern und herkömmlichen Techniken zusammengesetzt werden.

Sie verzweigen sich nach oben hin und wachsen an der Decke zu einer geschlossenen Konstruktion zusammen. Eine Form, die man sich von der Natur abgeschaut hat. „Für das Design der vertikalen Konstruktionseinheiten haben wir uns an der Form von Bäumen orientiert“, erklärt LUO Studio. 

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Der transparente Bau hebt die Grenze zwischen Innen und Außen auf.

Je größer, umso stabiler

Wie den Illustrationen zu entnehmen ist, funktionieren diese modularen Einheiten in unterschiedlicher Zusammensetzung: als einzelnes Element etwa für Baumhäuser bis hin zu großen Konstruktionen wie Bahnhofshallen. Im Fall des Verkaufspavillons sind es 14 Clustersäulen, die zusammen das Tragwerk bilden. „Je mehr Einheiten zusammengeschlossen sind, umso stabiler wird die Konstruktion“, erklären die Architekten. 

Auch die in die Clustersäulen integrierten Möbel sollen demnach dabei helfen, die allgemeine Statik zu verbessern. Gemäß dem modularen Prinzip kann jede Grundrissform individuell bespielt werden. „Es ist dasselbe wie bei Lego-Bausteinen. Jede Einheit ist unabhängig, und wenn man sie miteinander kombiniert, lässt sich jeder gewünschte Raum errichten.“

Longfu Life Experience Center, LUO Studio, China, Holzbau
Mit dem modularen Bausystem lässt sich jeder gewünschte Raum schaffen – vom Baumhaus bis zur Bahnhofshalle.

Mit dem Longfu Life Experience Center hat LUO Studio nicht nur ein temporäres Verkausgebäude geschaffen. Vielmehr ist ein Bausystem entstanden, das sich auf vielfältige Weise anwenden und bei Bedarf komplett rückbauen lässt. Eine Meisterleistung, wenn man die kurze Planungs- und Bauzeit von nicht einmal zwei Monaten bedenkt. Und dazu die Vorgabe vom Bauherren, dass es auch noch wenig kosten soll. Da verwundert es nicht, wenn die Architekten meinen: „Für uns war das eine große Herausforderung.“

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Weiqi Jin