Lässt sich ein Kurhaus aus den 1960er Jahren in ein stylisches Hotel verwandeln? Oh, ja! Der Beweis: Das neue „The Comodo“ im österreichischen Kurort Bad Gastein, das jetzt alpine Wellness im Designer-Look bietet. Architekt Piotr Wisniewski schildert, was dazu nötig war.
Als Architektin Barbara Elwardt das in den 1960er Jahren errichtete Kurhaus im österreichischen Kurort Bad Gastein entdeckte, stand für sie rasch fest, dass sich hier ein schönes Projekt umsetzen ließe. Es dauerte nicht lang, auch ihren Kollegen und weStudio-Co-Gründer Piotr Wisniewski zu begeistern. Kurzerhand erwarb Elwardt die Immobilie und das Duo machte sich daran, es zu renovieren und mit viel Liebe zum Detail in ein modernes Retro-Chic-Hotel zu verwandeln. Ohne große Umbauten, aber mit famosem Interior-Konzept entstand „The Comodo“: Ein cooler, neuer Hotspot für alpine Wellness im Designer-Look.
Durchgestylt von Möbel bis Serviette
„Ich hatte schon viele Hotels entworfen, aber ausschließlich als Architekt oder Interior-Designer. Diesmal das gesamte Hospitality-Konzept zu erstellen war besonders spannend“, erinnert sich Wisniewski. Vom Mobiliar und den Türklinken bis zum Geschirr und den Servietten stammt nun alles, was „The Comodo“ ausmacht, aus der Feder des Architekten-Duos. Von der „schrecklichen gelben Farbe“ abgesehen, habe sich das alte Kurhaus allerdings bestens für die geplante Erneuerung geeignet: „Das Gebäude war top, perfekt gerastert und gut erhalten. Auch die Zimmergrößen waren in Ordnung.“
An der Struktur musste also kaum etwas verändert werden. Wobei: Die Fassade der Rückseite unterzogen die Architekten doch einem essenziellen Wandel. „Das Gebäude hatte lange Flure und ausschließlich zum Tal hin gerichtete Zimmer. Wir haben aber auch schon einige Sozialbauten konzipiert und fokussieren immer auch auf Effizienz. Deshalb haben wir auch zur anderen Seite Zimmer zugebaut und haben jetzt 70 statt zuvor nur 45“, berichtet Wisniewski. Die Gäste des „The Comodo“ können somit zwischen „Valley Rooms“ mit Blick übers Gasteinertal und „Mountain Rooms“ mit bergseitiger Aussicht auf den umliegenden Kiefernwald wählen.
Ort mit Geschichte, Hotel mit Zukunft
Die gute Lage und für Bad Gastein außergewöhnliche 1960er Jahre Ästhetik, die das Architekten-Team von Beginn an beeindruckte, geht auf die Geschichte des Objekts zurück: Der 1881 von Friedrich Hirt in der Kaiserhofstraße errichtete „Habsburgerhof“ wurde 1962 für einen Neubau der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien abgerissen. Dieser wiederum wurde in den Folgejahren zwar mehrmals saniert, 2017 allerdings geschlossen.
Ein Problem des alten Hauses sei mangelnder Schallschutz gewesen, beschreibt Wisniewski: „Wir haben die Wände belassen, jedoch aufgedoppelt. An jeder Zimmerseite wurde eine Extrawand aus Gipskarton errichtet und mit Mineralwolle und schalldämpfendem Material verdichtet.“ Gäste des neuen „The Comodo“ können demnach nun sicher sein, ihren Aufenthalt ohne Ruhestörung durch die Nachbarn zu genießen.
Der Faktor Nachhaltigkeit
Natürlich haben Elwardt und Wisniewski bei der Renovierung auch auf Nachhaltigkeit geachtet. Schon die weitgehende Erhaltung und Sanierung des Bestands trug dazu bei, weil dadurch sehr wenig Bauabfall entsorgt werden musste und der Bedarf an neuem Material gering blieb. Für nachhaltige Energiegewinnung sorgt jetzt eine Solaranlage auf dem Dach des „The Comodo“ Hotels.
Egal, ob es sich um einen Neubau oder um Bestand handelt. Man kann alles auch in Bestandsimmobilien nachrüsten.
Architekt Piotr Wisniewski, weStudio Co-Gründer
Aber auch das Design des Interieurs unterstützt den Nachhaltigkeitsaspekt: „Wir haben sehr viele Möbel aus den 1960er und 1970er Jahren gekauft. Auch über Ebay, bei Auktionen und aus Privatbesitz.“ Ein gestalterisches Konzept, das zugleich dem Stil der neuen alpinen Wellness im Designer-Look erstklassig Vorschub leistet. Denn, so der Architekt: „Es ist ein Problem vieler neuer Hotels, dass sie durch ihre ebenfalls völlig neue Ausstattung ein wenig steril wirken.“ „The Comodo“ indes ist weit entfernt davon. Weil jeder Winkel ein tatsächlich unverwechselbares Retro-Flair versprüht, das kaum individueller sein könnte.
17 Prototypen für ein Sofa
Möbel und Details aller Art, die neu hinzukamen, haben Elwardt und Wisniewski selbst designt. Stolze 117 unterschiedliche Entwürfe wurden gemacht. Gut 4.000 Objekte eigens angefertigt. In enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Tischlern, Stahlkonstrukteuren und Steinmetzen. Allein für ein speziell für „The Comodo“ designtes Sofa und einen ebensolchen Sessel erdachten die Architekten 17 Prototypen, ehe der finale Entwurf ihrer Vorstellung exakt entsprach.
Was Wisniewski dabei am Herzen lag, war die Verwendung natürlicher Materialien: „Das ist ein wichtiges Thema für mich. Und es bedeutet auch: Wir wollen nichts faken. Sieht man Holz, ist es auch wirklich Holz – und sicher kein Laminat. Holz ist Holz, Messing ist Messing, Stein ist Stein. Schließlich sprechen wir von Design– und Boutiquehotels. Und eben diese Ehrlichkeit des Materials bedeutet für uns Luxus.“
Eichenholz trifft Terrazzo
Die Böden im „The Comodo“ sind aus Eichenparkett. Vom alten Gebäude erhalten blieb allerdings ein Stück Terrazzoboden im Restaurantbereich des Hauses: „Das ist noch original aus den 1960er Jahren. Terrazzo neu zu machen war auch eine Überlegung, wäre aber teuer und wegen der Normen in Sachen Rutschfähigkeit problematisch gewesen. Außerdem gefällt uns das Spiel mit Neu und Alt. Ich spiele immer gerne mit Kontrasten – sei es mit Farben, Formen oder Materialien. Man könnte meinen, Holz und Terrazzo passen nicht zusammen. Aber im ,The Comodo‘ passt das tatsächlich wunderbar.“
Vintage & speziell fürs Haus designte Stücke: Auch das Interieur der … … Garden Suiten beeindruckt mit gekonntem Mix aus Alt und Neu.
Dass „The Comodo“ soweit wie möglich auf Kunststoff verzichtet und in der Küche ganz auf „Farm-to-table“ setzt, entspricht der angestrebten Nachhaltigkeit und „Ehrlichkeit“ zugleich. Und die Strategie, ausschließlich Produkte aus der Region auf die Teller zu bringen, erfüllt einen weiteren Zweck, wie Wisniewski betont: „Es ist unser Ziel, möglichst alles von im Umkreis von bis zu 150 Kilometern ansässigen Produzenten zu beziehen, damit auch die lokale Community vom Betrieb des Hotels profitiert. Denn der soziale Faktor ist uns wichtig.“
Alpine Wellness, „The Comodo“ Style
Für alpine Wellness ist im schicken Retro-Style-Hotel freilich auch gesorgt. Schließlich ist das Thermalwasser seines Standorts Bad Gastein schon seit dem 19. Jahrhundert für seine Heilkraft bekannt.
„The Comodo“ nützt diese Tradition in vier Behandlungsräumen, zwei Saunen und einem Indoor-Pool. Und mit von erfahrenen Therapeuten erstellten individuellen Treatments sowie einem Mix aus alten und neuen Heiltechniken. Behandelt wird mit Produkten des für nachhaltige und natürliche Kosmetik und Heilkräuter bekannten österreichischen Unternehmens „Saint Charles“.
Was neue Hotels in Zeiten von Klimawandel und Pandemie-Nachwirkungen darüber hinaus brauchen, um Erfolg zu haben, analysiert der innovative Designer so: „Das hängt sehr von der Destination ab. Ein Stadthotel braucht etwas anderes als eines in den Bergen. Egal, ob es sich um einen Neubau oder um Bestand handelt. Man kann alles auch in Bestandsimmobilien nachrüsten.“
Die Menschen wollen wieder zusammenkommen. Das Community-Thema hat an Bedeutung gewonnen.
Architekt Piotr Wisniewski
Weil sich die Bedürfnisse der Gäste durch die Covid-Pandemie verändert haben, ist Wisniewski überzeugt: „Die Menschen wollen wieder zusammenkommen. Das Community-Thema hat an Bedeutung gewonnen. Wir haben versucht, auch dies in unser Konzept aufzunehmen. So gibt es im ,The Comodo‘ zum Beispiel keine Mini-Bars in den Zimmern. Unsere Lobby dient als Wohnzimmer. Dort gibt es drei Sitzgruppen und eine große Bar. Das hat sich bewährt: Lobby und Bar sind jeden Abend voll.“
Kommunikatives Wohlfühl-Ambiente
Ein Erfolg, der wohl auch mit dem gekonnt verspielt und einladend gestalteten Ambiente zu tun hat. Denn: Hotel-Lobbys und Bars sind nichts Außergewöhnliches, in vielen Häusern allerdings höchst spärlich besucht.
Hospitality-Spezialist Wisniewski in seinem Element: Das mit Kollegin Elwardt … … umgestaltete Bad Gasteiner Kurhaus brilliert durch unverwechselbaren Stil.
Wisniewski selbst schätzt vor allem „ehrliche“ Hotels wie etwa jene der in den USA tätigen Proper-Gruppe. Und er nennt auch ein Haus in Bad Gastein: „Die von Jan und Stefan geführte ,Rudolfshöhe‘, die nur vier Zimmer hat. Ich mag es, wenn die Besitzer selbst im Hotel anwesend sind, vielleicht sogar selbst für die Gäste kochen.“
Intimität statt Großbetrieb
Diese persönliche Präferenz des Architekten schlägt sich auch im Wohlfühlambiente des „The Comodo“ nieder – obwohl es durch den Zubau über immerhin 70 Zimmer verfügt: Auch bei voller Auslastung sind die reale Größe und Gästeanzahl nicht zu spüren.
Dass sowohl umweltschonende Umnutzung (statt Abbruch und Neubau) bestehender Immobilien, als auch die Wiederbelebung historischer Architektur im Trend liegen, zeigt sich nicht nur am grandios designten „The Comodo“.
Gefragtes Retro-Feeling
Vom Jugendstil im Palazzo „Villa Igiea“ in Sizilien oder dem „Six Senses Fort Barwara“ im indischen Bau-Juwel aus dem 14. Jahrhundert bis zu Venedigs „Ca‘ di Dio“ in einer 700 Jahre alten Villa oder dem Baroque-Chic des Hotels „Weisses Kreuz“ in Innsbruck: Top-Hotels, die frühe Zeiten spürbar machen, sind begehrt. Auch Hospitality-Spezialist Wisniewski werkt neben Projekten für private Kunden bereits am nächsten dieser Art: Dem „Mamula Island“ in einer 1853 erbauten Festung an Montenegros Küste.
„The Comodo“: Frischekick für Bad Gastein
Der vom Architekten-Team Barbara Elwardt und Piotr Wisniewski so gekonnt ins Jetzt gehobene Midcentury-Stil des „The Comodo“ passt jedenfalls perfekt zu diesem Trend. Das neue Haus beschert nicht nur dem alten Kurort Bad Gastein einen erfrischend „jungen“ Wellness- und Design-Hotspot. Es beweist auch, dass sogar aufs Erste nur begrenzt ansehnlicher Altbestand durchaus zu herrlich Neuem werden kann.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: PION Studio
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