Ein Generationswechsel in der Hotellerie ist immer auch eine Chance. Beim Park Hotel Franceschi in Cortina d’Ampezzo wurde die Renovierung in die Hände des Südtiroler Architektur- und Design-Studios NOA gelegt. Eine gute Wahl: Die Kombination aus Alt und Neu kann sich sehen lassen.
Schon ein Mal war Cortina d’Ampezzo Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Exakt 70 Jahre später, nämlich in 2026, wird sich dort neuerlich das Who ist Who des Wintersports einfinden. Die norditalienische Gemeinde in der Provinz Belluno in Venetien mit rund 6.000 Einwohnern ist seit jeher ein renommiertes Winter- und Bergsportzentrum. Alpine Skiweltmeisterschaften fanden dort bereits 1932 und 1941 statt. Und: Zusammen mit elf weiteren italienischen Wintersportgebieten gehört Cortina d’Ampezzo zum Verbund Dolomiti Superski. Die „schönsten Berge der Welt“, wie es häufig heißt, das UNESCO Welterbe Dolomiten, wartet mit 1.200 Kilometer Pisten und Bergbahnen der neuesten Generation auf.
Raffiniertes und bewusstes Alpin-Erlebnis
Jetzt schon für das Großereignis in 2026 in Stellung gebracht hat sich das historische Park Hotel Franceschi im Zentrum von Cortina d’Ampezzo. Unter der Leitung des Architektur- und Interior Designbüros NOA hat man die Renovierung in Angriff genommen. Ziel war es, das Haus in ein ganzjährig interessantes Reiseziel zu verwandeln. Das Erbe Cortinas und die Geschichte des Hotels sollten zu einer neuen Form „alpiner Eleganz“ verschmelzen und ein bewusstes Alpin-Erlebnis bieten.
Nur wenige Schritte vom Corso Italia entfernt, empfängt das Park Hotel Franceschi seit 1922 seine Gäste. In seiner über hundertjährigen Geschichte, in der das Hotel mehrmals erweitert und renoviert wurde, hat das Gebäude eine Architektur entwickelt, die den klassischen alpinen Stil von Cortina verkörpert. Dieser ist durch seitliche Türmchen gekennzeichnet. Mit dem Generationswechsel haben die Eigentümer beschlossen, einen neuen Weg einzuschlagen. Ein neues Konzept soll das ganze Jahr über Gäste anziehen.
Erste Phase: Neues Erdgeschoß
Das Südtiroler Studio NOA entwarf ein Leitbild und unterteilte die Arbeiten in drei Phasen. Die erste Phase, die die Renovierung der öffentlichen Räume im Erdgeschoss umfasste, ist bereits abgeschlossen. Es folgen in den kommenden Jahren die Renovierung der Zimmer, weiters wird die Erweiterung des Gebäudes fortgesetzt. Gleichzeitig werden funktionale Verbesserungen mit neuen Wellnessbereichen umgesetzt.
770 Quadratmeter warteten im Erdgeschoß darauf, dass die Vergangenheit mit der Zukunft eine harmonische Symbiose eingeht, die Tradition mit der Innovation – wobei, Typisches und Einzigartiges lohnt immer, bewahrt zu bleiben.
Einzelstücke mit Charakter durften bleiben
Die durchaus großen und hellen Räume wirkten durch die Verwendung von viel Holz und Leisten, von verstaubten, schweren Textilien und einer veralteten Farbpalette düster und überladen. Es mangelte jedoch nicht an charaktervollen Einzelstücken aus vergangenen Jahrhunderten, teils mit feinen Intarsien, wovon die meisten im Bestand geblieben sind. Dazu zählen etliche Schränke und Truhen, historische Gemälde, die die Familie Franceschi darstellen, sowie zwei imposante Kachelöfen.
Bevor wir mit dem neuen Einrichtungskonzept begannen, suchten wir die interessantesten Einrichtungsgegenstände heraus, die wir wieder in das Projekt integrieren wollten. Gerade in geschichtsträchtigen Räumen wie diesem geht es nie darum, bei Null anzufangen, sondern vielmehr darum, Ordnung zu schaffen und Platz für neue Elemente zu machen.
Maddalena Gioseffi, Architektin NOA
Das „neue“ Erdgeschoss des Hotels verfügt nun über modernisierte Räume, die die Gäste in Empfang nehmen. Die große, multifunktionale Lobby erstreckt sich über die gesamte Etage. Sie spielt als erste Anlaufstelle die tragende Rolle, damit die Gäste gerne wiederkommen.
Gut empfangen in der aufgefrischten Lobby
Im Empfangsbereich macht sich gleich der historische Schreibtisch gut. Er hat einen integrierten Postschlitz, man mag sich denken, dass dies in der heutigen Zeit antiquiert ist. Und doch passt es gut zum Ambiente.
Ebenfalls passend ist der neue Harzbodenbelag, mit dem die Lobby aufgefrischt wurde und so ein neues Erscheinungsbild erhalten hat. Von hier aus werden die Gäste in den rechten Flügel geleitet. Dort befinden sich nacheinander die Bar, Stube und der Salon. Im linken Flügel dagegen sind das Frühstücksbuffet, das Restaurant mit den drei Speisesälen, die Küche und die Verwaltungsbüros untergebracht.
Die Innenräume sind eine Reise durch verschiedene Epochen. Die beiden prächtigen Kachelöfen im blaugrauen Farbton blieben selbstverständlich erhalten. Sie geben die Stimmung für die Farbpalette vor, insbesondere was die kontrastierenden Gelb-Farbtöne betrifft.
Den eleganten blaugrauen Farbton der Kachelöfen haben wir auf die Stoffe übertragen und mit einem Hauch von Gelb gepaart. Dies verleiht der Lobby eine entspannte und moderne Atmosphäre.
Maddalena Gioseffi, Architektin NOA
Im Bar-Raum sind bequeme Sitzgelegenheiten der Manufaktur Gervasoni, die bereits seit 1882 Sitzmöbel herstellt, und des Herstellers Innova Imbottiti drapiert. Sie sind rund um den Ofen und unter einer kunstvollen Gewölbedecke angeordnet, während eine einzelne Tischreihe parallel zum großen Fenster platziert ist. In der angrenzenden Stube finden sich traditionsgemäß rustikale Alpenstühle als Sitzgelegenheit.
Blick auf den Park und die 3.000 Meter hohen Gipfel
Herzstück des neuen Erdgeschosses ist der große Salon, der den rechten Flügel abschließt – mit einer eleganten Kassettendecke, akzentuiert durch Hängelampen. Und mit großen Fenstern. Von hier aus ergibt sich eine Sichtverbindung zum Park des Hotels. Rundherum hat man einen Blick auf die umliegenden Gipfel.
Der Ort liegt auf einer Höhe von 1.211 Metern über dem Meeresspiegel im Valle del Boite in den Ampezzaner Dolomiten. Cortina d’Ampezzo ist das größte besiedelte Zentrum der Sprachgemeinschaft der Dolomitenladiner. Die höchsten Bergspitzen sind unter anderem das Massiv Tofana di Mezzo, mit 3.244 Metern Gipfelhöhe, der Monte Cristallo (3.221 m) und die Punta Sorapiss (3.205 m).
Aber zurück zur beschaulich-luxuriösen Nächtigungsmöglichkeit im revitalisierten Park Hotel Franceschi: Auch im Salon bildet ein Ofen den Dreh- und Angelpunkt des Raumkonzepts. Darum herum sind verschiedene Sitzplätze angeordnet. Leseinseln, Sofas und eine große, in das Bogenfenster eingebaute Sitzbank „reagieren auf die Fliehkraft des Ofens und orientieren sich an ihm“.
Der linke Flügel des Erdgeschosses ist – wie bereits erwähnt – ganz den gastronomischen Funktionen gewidmet. Auch hier trifft Tradition harmonisch auf zeitgenössisches Design: Ein Beispiel ist das Glasportal, das zum Buffetbereich führt. Es ist ein heller und zarter Eingang, der einen schönen Kontrast zur „reichen Materialität“ der vorhandenen Gewölbedecke bildet. Die maßgefertigten Buffetmöbel mit Steinplatten und abgerundeten Ecken unterstreichen nicht nur die Ästhetik des Raums, sondern sind auch so konzipiert, dass sie den Gästen den Zugang zu den Speisen erleichtern.
Das Restaurant mit seinem L-förmigen Hauptspeisesaal ist durch einen ständigen Wechsel von weißen und blauen Stühlen, kegelförmigen und flachen zylindrischen Lampen gekennzeichnet. So kommt keine Langeweile auf. Die Tische sind in zwei gegenüberliegenden Reihen angeordnet, wodurch eine Atmosphäre entsteht, die an eine Pariser Promenade erinnert.
Stammbaum trifft auf Pedrali-Stühle und Pendelleuchten
Ein intimer Raum dort, der vollständig mit Holz verkleidet ist, dient als separater Raum, als Séparée. In diesem Raum haben die NOA-Designer ganz besonders darauf geachtet, den historischen Charme zu bewahren. Hier ist Pedrali der Stühle-Lieferant. Die Sitzgelegenheiten aus Holz, die Tische und die schwarzen, röhrenförmigen Pendelleuchten verleihen der „guten Stube“, in der der Stammbaum der Familie Franceschi, der bis ins Jahr 1289 zurückreicht, an der Wand prangt, einen modernen Touch.
Was NOA jedenfalls auszeichnet und auch beim „Revamp“ des Park Hotel Franceschi gut zum Ausdruck kommt, ist das Motto von NOA, es lautet: „Unsere Entwürfe erzählen echte Geschichten von mutigen Menschen, die zusammen leben.“ In diesem Sinne höre man nie auf, die Grenzen zu verschieben.
„Ganze Regionen funktionieren besser ohne Autoverkehr“
Unter anderem müsse sich, „wer heute Architektur und Design praktiziert, mit Fragen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen, sei es in ökologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht“, heißt es bei NOA. „Bei unseren Projekten wagen wir uns über den Tellerrand hinaus, um die Synergien und Möglichkeiten eines jeden Gebiets zu erkennen.“ Das ist durchaus topografisch und geografisch gemeint, denn „so können wir das komplexe Mosaik eines Ortes in seiner Gesamtheit lesen und zum Beispiel entdecken, dass ganze Regionen ohne Autoverkehr besser funktionieren“.
NOA – network of architecture ist ein preisgekröntes Architektur- und Designstudio, gegründet im Jahre 2011 von Lukas Rungger und Stefan Rier mit Hauptsitz in Bozen, Italien. Die Realisierungen sind von einer kollaborativen Arbeitsethik, einer interdisziplinären Entwurfsmethodik geprägt. Kreative Teams werden immer wieder projektbezogen zusammengestellt.
NOA diene folglich als Bühne, oder auch Plattform, für Architekten, Interior Designer, Produkt-, Mode- oder Graphikdesigner, … bis hin zu Musikern, Schriftstellern und Historikern – mit dem kollektiven Ziel, Fachkenntnisse der unterschiedlichen Spezialisten synergetisch zu optimieren.
NOA hat immer wieder einen Schwerpunkt auf die Nutzungsart Hotel – und hier häufig Projekte in alpinen Regionen. Ein aufsehenerregender Auftrag war „Hub of Huts“ im Auftrag des Nobelhotels Hubertus im italienischen Pustertal. Es sieht aus wie ein gespiegeltes Dorf um einen freischwebenden Pool herum.
Text: Linda Benkö
Fotos: Alex Filz
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