AirBubble, Interview: Nora Palzenberger
Rein an die frische Luft! 93% Prozent aller Kinder weltweit atmen nach WHO-Angaben verunreinigte Luft ein. Grund genug für Claudia Pasquero und Marco Poletto vom Londoner Architektur- und Innovationsbüro ecoLogicStudio den ersten biotechnologischen Spielplatz der Welt zum Leben zu erwecken: In der AirBubble im Zentrum von Warschau spielen Kinder unter einer von Mikroalgen gereinigten Luftblase.
Q&A | Claudia Pasquero und Marco Poletto
Q — Sie sind auf Biotech-Design spezialisierte Architekten. Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass Sie mit Ihrer Arbeit nicht nur die Form und Funktion von Gebäuden, sondern auch die Gesundheit und Zukunft von Menschen beeinflussen können?
Claudia Pasquero und Marco Poletto: Das war 2005, als wir ecoLogicStudio gegründet haben. Unser Name ist eine Referenz auf das Buch „Steps to an Ecology of Mind“ von Gregory Bateson. Der Autor bezeichnet Ökologie darin als Verbindung unterschiedlicher menschlicher und nicht-menschlicher Systeme durch sowohl logische als auch metalogische Sprachen. Diese Perspektive befreit die Architektur von dem Zwiespalt von Form versus Funktion und geht eher in Richtung architektonischer Morphogenese. In anderen Worten: Architekten sollten sich mit der Beziehung zwischen Form, Energie und den grundlegenden Prozessen, die das Leben und seine Evolution formen, befassen.
Q — Ihr neues Projekt, die AirBubble, verschmilzt Architektur, Biotechnologie und urbanes Design. Wie ist es Ihnen gelungen, diese Disziplinen miteinander zu verbinden?
Architektur bildet für uns den Rahmen, um naturbasierte Lösungen in der bebauten Umwelt zu integrieren. Sie sind unsere größte Hoffnung, um jene Herausforderungen zu bewältigen, die durch industrielle Technologien entstanden sind. Es ist daher eine Illusion zu denken, dass Biotech ohne die von der Architektur beigestellten Rahmenbedingungen die Lösung sein kann. Die größte Herausforderung dabei ist es, den relevanten Stakeholdern in der Industrie den Mehrwert zu vermitteln, der uns allen durch die Einbettung technologischer Innovationen in ein soziales oder räumliches Umfeld zugutekommt.
Q — Bitte erzählen Sie uns von dem Moment, als Sie AirBubble zum ersten Mal im Kopf hatten. Warum haben Sie sich ausgerechnet einen Spielplatz dafür ausgesucht?
Spielen bietet eine einzigartige Gelegenheit zu lernen – durch metalogische Prozesse, um zurück zu Gregory Bateson zu kommen. Denn Kinder verwenden Metasprache, um ihre Umgebung zu verstehen und umzugestalten. Kinder sind außerdem am meisten von urbaner Luftverschmutzung betroffen, weil sich ihr Atmungsapparat noch entwickelt – und während dem Spielen atmen sie sehr intensiv.
Ein Spielplatz war also eine sehr gute Möglichkeit, um all diese Themen auf einmal anzugehen und sie in Möglichkeiten für einen Wandel zu transformieren.
Q — Wie erklären Sie die Idee hinter der AirBubble einem Kind in drei Sätzen?
Die AirBubble braucht zwei Energiequellen: Solarenergie und deinen instinktiven Forschungs- und Spieltrieb. Diese beiden bilden den unversiegbaren und erneuerbaren Treibstoff der AirBubble, der ganz mühelos gewonnen werden kann. Die AirBubble ist der Auslöser eines Prozesses, der stetig wachsen und seine positiven Auswirkungen auf künftige Generationen vervielfachen kann. Du hast es in der Hand – du bist verantwortlich für unsere Gesundheit und unser Klima.
Q — Was sollen Kinder nach einem Besuch in der AirBubble gelernt haben?
Wir hoffen, dass die Kinder durch Erfahrung und Interaktion die Vorteile davon erkennen, wie die Qualität von Atemluft mit naturbasierten Lösungen, und in diesem Fall mit der Kraft der Mikroalgen, verbessert werden kann. Sie werden auch sehen, wie dieser Prozess zu wunderbaren neuen urbanen Umgebungen führen kann.
Q — Was ist Ihr Lieblingsspielbereich innerhalb der AirBubble?
Die Hängeseile und die Hüpfkugeln! Die Kinder finden ganz eigene Wege, ihr Gleichgewicht zu halten, während sie mit anderen interagieren. Es gibt niemals eine finale Statik, sondern vielmehr einen ständigen Austausch und ein dynamisches Zusammenspiel.
Q — Welchen unmittelbar spürbaren Effekt hat die AirBubble auf den Besucher?
Auf jeden Fall wird die Neugier der Besucher geweckt und die Kinder fangen sofort an wie wild zu spielen, das war toll zu sehen. Unser vorrangiges Ziel war es jedoch, sicherzustellen, dass die Kinder wiederkommen und regelmäßig in der AirBubble spielen, um beobachten und herausfinden zu können, welche langfristigen Auswirkungen das Mikroklima und die Algenkulturen haben.
Q — Im Moment ist die AirBubble eine Art Testumgebung angewandter Biotechnologie. Wann wissen Sie, dass Ihr Projekt reif für den Massenmarkt ist?
Die AirBubble ist schon jetzt voll funktionsfähig, es ist reale biotechnologische Architektur. Es wird sie zukünftig sicher auch an anderen Orten geben, aber sie soll kein Produkt für den Massenmarkt werden.
Für uns muss die AirBubble immer auf den jeweiligen Kontext angepasst werden.
An das lokale Mikroklima, Bauvorschriften, lokale Algenarten und gesellschaftliche Normen. Deshalb haben wir auch innovative digitale Design– und Produktionstechnologien integriert sowie ein Echtzeit-Überwachungssystem, das uns mit Daten über den Grad der Luftverschmutzungsreduktion und die Widerstandskraft der Algenkulturen versorgt. Diese Systeme ermöglichen es uns, fortlaufend zu lernen und Prozesse zu optimieren. Nicht nur die Algen leben, das ganze Projekt ist ein sich ständig veränderndes architektonisches System.
Q — Welchen Lebensbereich werden Sie als nächstes unter eine Blase mit frischer Luft packen?
Die nächste Version von AirBubble sollte eine Fabrik oder ein Bio-Betrieb sein. Eine Anlage, die durch zirkuläre Produktionsprozesse geprägt ist, wo Emissionen zu Rohstoffen für neue Produkte werden. Eine Fabrik, die teils Labor, teils Treibhaus und teils Produktionsstätte ist. Ein Unternehmen, das Bürger:innen in die Produktions- und Konsumprozesse miteinbezieht und Möglichkeiten zur Mitgestaltung bietet. Wir arbeiten bereits an zwei Pilotprojekten, für die Nahrungsmittel– und die Pharma-Industrie.
Das Projekt
Die AirBubble befindet sich auf der öffentlichen Grünfläche außerhalb des Copernicus Science Centre (Centrum Nauki Kopernik) in Warschau, wo der Designinnovation auch eine eigene interaktive Multimedia-Ausstellung gewidmet ist. Die polnische Hauptstadt gilt als eine der am stärksten verschmutzten Städte in Europa. Das grüne Zukunftsprojekt integriert den Prozess der Photosynthese in die bebaute Umgebung und erfindet so eine neue architektonische Typologie: Ein echtes urbanes Algengewächshaus. Die zylinderförmige Holzstruktur im Inneren ist von einer EFTE-Membran – einer Weiterentwicklung des von ecoLogicStudio entwickelten Urban-Vorhangsystems Photo.Synthetica – umhüllt, die als Schutzschild für 52 Glasalgenreaktoren fungiert. In diesen befinden sich 520 Liter lebender grüner Chlorella sp Algenkulturen, die 200 Liter verunreinigter Luft pro Minute filtern können. Sonnenenergie und das Spiel der Kinder selbst verstärken den Luftreinigungsprozess. Der Spielplatz ist mit Seilen, Fußpumpen und Hüpfkugeln ausgestattet, das blubbernde Geräusch des Algengartensystems sorgt für eine entspannende Atmosphäre.
Die Architekten
Claudia Pasquero und Marco Poletto studieren am Polytechnikum Turin Ingenieurwesen und besuchen die Londoner Architectural Assocation, bevor sie 2005 ecoLogicStudio gründen. Das in London ansässige Architektur- und Urban-Design-Innovationsstudio ist spezialisiert auf Umweltdesign, städtische Autarkie und gebäudeintegrierte Natur. Zum Portfolio an naturbasierten Designlösungen, mit denen das Architektenduo den Klimawandel unmittelbar positiv beeinflussen möchte, zählt unter anderem das auf der Architekturbiennale in Venedig präsentierte Projekt BIT.BIO.BOT, bei dem auf Algen basierte „lebende Fassaden“ das Raumklima verbessern sollen. Ihr vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen finanziertes Deep Green-Projekt nutzt künstliche und biologische Intelligenz, um neue grüne Wirtschaftssysteme im urbanen Raum zu schaffen.
Fotos: Maja Wirkus
iThere are no comments
Add yours