Wendelstrand in der Nähe von Göteborg ist eine neue Gemeinde und Wohnsiedlung mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, die in einem stillgelegten Steinbruch liegt. Der Masterplan und das Lakehouse der Architekten von Snøhetta zeigen, wie Stadtplanung und Wohnungsbau neu gedacht werden können.
Am Ufer des idyllischen Landvetter-Sees in Schweden haben Bagger und Abbruchgeräte über Jahre hinweg ein klaffendes Loch in die Landschaft gerissen. Dieser Steinbruch wird nun rasch durch eine Siedlung namens Wendelstrand umgestaltet, die sich durch soziale und ökologische Nachhaltigkeit auszeichnet. Neben den verschiedenen Wohnformen sieht der Masterplan vor allem viel natürliches Grün vor, das sich durch die Anlage bis hinauf auf das weitläufige Dach des Lakehouse schlängelt. Von hier aus genießt man einen herrlichen Blick über die Wälder und den See.
Wendelstrand ist ein Lieblingsort für alle, die gerne im Grünen leben. Und obwohl der Ort mitten in der Natur liegt, ist er nur 15 Autominuten von Göteborg, der zweitgrößten Stadt Schwedens, entfernt. Die künftigen Bewohner dieser autarken Gemeinschaft brauchen also gar nicht mehr woanders hinzugehen.
Keine weitere Satellitenstadt
„Was als hochfliegende Idee begann, eine Wunde im Boden zu heilen und die umgebende Natur zu regenerieren, hat sich nun als Gartenstadt mit vielfältigen Wohnformen für jede Familie manifestiert“, beschreiben die norwegischen Architekten Snøhetta, die Entstehung des Projekts. „Unser Ziel war es, etwas zu schaffen, das über ein herkömmliches Viertel hinausgeht und mit den traditionellen Wohnformen bricht.“
Unser Ziel war es, etwas zu schaffen, das über eine konventionelle Nachbarschaft hinausgeht und mit traditionellen Wohnformen bricht.
Snøhetta, Architekten
Mit Satellitenstädten und deren fragwürdiger ökologischer Haltung wird die neue Entwicklung wenig gemein haben. Im Gegenteil: Der Masterplan ist bestrebt, die Fehler der autogerechten Stadtplanung der Vergangenheit auszumerzen. Wendelstrand ist nicht als Wohnort für Pendler gedacht, sondern soll eine eigenständige kleine Stadt auf dem Lande werden, die über die notwendige Infrastruktur verfügt.
Die neue Normalität des Arbeitslebens
Diese Infrastruktur findet sich am Lakehouse, dessen runde Form sich in die umgebende Landschaft einfügt. „Das Design des Seehauses folgt der natürlichen Topografie und ist so konzipiert, dass es die Menschen in, auf und um das Haus herum einlädt“, so die Architekten.
Lokal verfügbare und flexible Büroräume bieten nicht nur eine Alternative zum Arbeiten vom Küchentisch aus, sondern sparen auch wertvolle Zeit und CO2-Emissionen, die durch Reisen entstehen.
Snøhetta, Architekten
In diesem multifunktionalen Gebäude können die Bewohner einkaufen oder essen gehen, Konzerte besuchen, Fitnesstraining absolvieren und in der stadteigenen Wellness-Oase entspannen. Und damit sie nicht in die Stadt fahren müssen, um zu arbeiten, können sie im Gemeindezentrum Büro- und Coworking-Flächen mieten.
„Lokal verfügbare und flexible Büroräume bieten nicht nur eine Alternative zum Arbeiten vom Küchentisch aus, man spart auch wertvolle Zeit und CO2-Emissionen, die durch Reisen entstehen“, erklären die Architekten ihre neue Normalität des Arbeitslebens.
Von der Wohnung zur Villa
Selbstverständlich wird das Lakehouse in Holzbauweise errichtet, was ebenfalls Ressourcen spart. Gleiches gilt für die verschiedenen Wohnformen, die auf einer Gesamtfläche von 70.000 Quadratmetern entstehen und auch Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder und ältere Menschen bieten sollen. Das Wohnungsangebot reicht von Reihenhäusern und Mehrfamilienhäusern bis hin zu Einfamilienhäusern und Villen.
Das Architekturbüro Tham & Videgård war für den Entwurf einer Reihe von Einfamilienhäusern verantwortlich, die Vertical Villas genannt werden. Ihr trapezförmiges Dach und die verschiedenfarbigen Holzfassaden verleihen ihnen ein verspieltes Aussehen. Das schwedische Unternehmen White Arkitekter, das sich bereits einen Namen im Bereich der Holzbauweise gemacht hat, lieferte den Entwurf für die mehrstöckigen Häuser des Projekts.
Seehaus als Prototyp
„In vielerlei Hinsicht repräsentiert das Lakehouse das gesamte Gebiet und die Idee hinter dem Projekt“, erklärt Joakim Garfvé, einer der Gründer des Immobilienentwicklers Next Step Group und Bauherr des Projekts.
„Die Konzentration auf Holz als Baumaterial kann den Kohlenstoff-Fußabdruck reduzieren, nicht nur in Schweden, sondern in der gesamten nordischen Region“, fügt Rikard Jaucis, leitender Architekt bei Snøhetta, hinzu.
Diese brandneue Stadt gilt auch als Testlabor für innovative Verkehrslösungen wie selbstfahrende Busse, Elektromobilität und Carsharing. Dennoch werden die Einwohner von Wendelstrand weiterhin dazu ermutigt, sich aus eigener Kraft fortzubewegen – zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Text: Gertraud Gerst
Visualizations: Snøhetta, Next Step Group
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