ALBERTINA MODERN: ALFRED KUBIN DIE ÄSTHETIK DES BÖSEN14.8. – 9.2.2025

Der große Zeichner Alfred Kubin zeigt uns die Welt in den Fängen des Bösen. Die Ausstellung in der ALBERTINA MODERN präsentiert aus dem rund 1800 Zeichnungen umfassenden Bestand der ALBERTINA die frühe Schaffensphase Kubins von 1899 bis 1904. Seine düstere Welt, in der das Böse, Beängstigende und Schauerliche herrschen, wird anhand von rund 100 Werken sichtbar gemacht.

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Alfred Kubin (1877–1959), ein Einzelgänger und Individualist, schuf ein Werk, das von tiefen seelischen Qualen geprägt ist. Seine Bilder, die oft beklemmende Traumwelten darstellen, spiegeln düstere Visionen der modernen Seele wider. Kubin zeichnete fantastische Wesen, groteske Fratzen und bedrohliche Szenarien, in denen sexuelle Ängste, Zwangsvorstellungen, Qualen und das Gefühl des Ausgeliefertseins dominieren. Diese Themen entblößen die geheimen Triebe und Ängste der menschlichen Psyche, die zu seiner Zeit von Sigmund Freud untersucht wurden.

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Kompromisslose Offenheit und Abkehr von traditioneller Ikonographie

Die Ausstellung zeigt Kubins kompromisslose Offenheit und seine Abkehr von traditioneller
Ikonographie sowie die Vielfalt seines zeichnerischen Œuvres. In seinen frühen Arbeiten fängt Kubin auf prophetische Weise die Spannungen des 20. Jahrhunderts ein: Die Auflösung des Individuums in der Masse und das einsame, auf sich selbst zurückgeworfene Individuum, das seinen Platz in der modernen Welt nicht findet. Er selbst litt unter der fortschreitenden Verwissenschaftlichung, Technisierung und Bürokratisierung und empfand sich als ein Mensch, der der Vergangenheit angehört.

Seine Jugend war geprägt von Schicksalsschlägen wie dem Tod der Mutter, unüberwindbarer Versagensangst und Depressionen, die schließlich zu einem gescheiterten Selbstmordversuch führten – Ereignisse, die maßgeblich seine Bildfindungen beeinflussten.

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Seine Ästhetik ist düster, beklemmend, böse. Sie verleiht seinen Bildern eine Qualität, die den Betrachter erschüttert und gleichzeitig mit der eigenen Menschlichkeit konfrontiert. Kubin fühlte sich von der Last des Lebens und der Unausweichlichkeit des Todes überwältigt – eine Faszination, die sich in seiner intensiven Beschäftigung mit dem Lebensende als Bildthema widerspiegelt.

Auch die Frau als femme fatale, als Verführerin, Männer verschlingende Dämonin und bedrohliche Todesbotin stellt er immer wieder dar. Er fürchtete die Frau, ihre Sexualität, ihren Körper – die fortschreitende Emanzipation bereitete ihm Angst. Besonders beeinflusst durch Otto Weiningers Buch Geschlecht und Charakter, zeigt Kubin seine misogyne Haltung und Panik vor Frauen.

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Sein Frühwerk zeigt eine Fülle von fantastischen und grotesken Tierdarstellungen, Metaphern der tierischen Triebhaftigkeit und Rohheit des Menschen. Diese Werke, die in Einklang mit seinem pessimistischen Weltbild entstanden, spiegeln eine düstere Sicht auf die menschliche Existenz wider.

Zwischen autobiografischem Kommentar und epochaler Diagnose

Bilder des Schreckens, der Dämonie und der Zerstörung verließen Kubin bis an sein Lebensende 1959 nicht. Es wird berichtet, dass sein Pfarrer am Ende seines Lebens gesagt haben soll: „Ohne seine Ängste würde er seiner Existenz beraubt werden.“ Kubins Kunst bewegt sich in der Spannung zwischen autobiografischem Kommentar und epochaler Diagnose. Sie bleibt ein bedeutendes Zeugnis der inneren Abgründe des Menschen und seiner Ängste, die sowohl persönlich als auch universell sind. Seine Bilder offenbaren die Qualen, die er erlebte, und zeigen eine Welt, in der der Mensch sich selbst und seine Umgebung mit Schrecken und Faszination betrachtet.

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