Interview by Nina Prehofer
Tommy Schwabl ist erfolgreicher Online-Marktforscher. Mit Marketagent.com kann er auf einen Befragungspool mit 1,3 Millionen Mitgliedern zurückgreifen.
NEBENBEI SETZT ER SICH GEGEN DAS BIENENSTERBEN EIN UND BEWEIST GESPÜR FÜR ARCHITEKTUR UND DESIGN.
Sie haben mit Ihrem Bürogebäude den Bauherrenpreis gewonnen. Was war Ihnen wichtig bei der Gestaltung Ihres Büros?
Tommy Schwabl: Unser Büro ist nicht wirklich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geplant worden, da war schon auch ordentlich viel Liebe zu Architektur und Design im Spiel. Wir haben einen alten Winzerhof in Baden bei Wien völlig ausgehöhlt un revitalisiert. Immer mit der Idee, alte bestehende Strukturen mit modernen Elementen zu kombinieren. Da gibt es gewisse Parallelen zu unserer Arbeitsweise. Denn auch die Online- Forschung folgt bewährten Gesetzmäßigkeiten, lediglich in einer neuen, zeitgemäßen Interpretation. Grundsätzlich könnten wir unseren Job auch als digitale Nomaden ausüben Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass sich ein ansprechendes Umfeld merkbar auf die Motivation der Mitarbeiter auswirkt.
Fotos: Stefan Beer
Sind Sie ein designaffiner Mensch?
Tommy Schwabl: Manche meiner Freunde bezeichnen mich sogar als Diva. Aber ja, ich kann mich für solche Dinge richtig begeistern und mir ist es auch nicht zu blöd, mich vier Wochen lang mit der Auswahl von Schaltern und Steckdosen zu beschäftigen. Und bei Design und Kunst, insbesondere Street Art und Urban Art, geht mir das Herz auf. Das inkludiert aber auch andere Bereiche, beispielsweise Reisen oder Hotels. Während andere nur einen Schlafplatz suchen, kann ich mich im Design verlieren. Mir ist schon bewusst, dass das alles First-World-Problems sind und es oft auch um Wohlstandsmüll geht – daher ist es mir wichtig, dass Design nicht notwendigerweise sündhaft teuer sein muss.
Gilt „je größer, umso besser“ in der Marktforschung?
Tommy Schwabl: Wenn es um die Aussagekraft einer Stichprobe geht, dann ist die Größe ein relevanter, aber nicht der wichtigste Aspekt. Um sie auf die Gesamtbevölkerung hochrechnen zu können, ist die Struktur bzw. Schichtung des Samples deutlich wichtiger. Bei einem Online Panel gilt „size matters“ aber uneingeschränkt. Je größer dieser Pool an befragungswilligen Konsumenten ist, desto besser kann man Nischen-Zielgruppen erreichen und desto geringer ist die Gefahr der Überforschung.
Worauf sind Sie spezialisiert?
Tommy Schwabl: Mein Herz schlägt für die digitale Markt- und Meinungsforschung. Im Zentrum unseres Instrumentariums steht ein Befragungspool mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern aus 60 Ländern. Was vor knapp 20 Jahren mit Online- Forschung begann, wird jetzt immer mehr zu „Mobile Research“, also der Erhebung via Smartphone. Unverändert ist, dass wir gänzlich auf telefonische, persönliche oder schriftliche Interviews verzichten. Shift happens!
Wie gehen Sie vor und wie unterscheidet Sie das von anderen Marktforschern?
Tommy Schwabl: Die wesentlichen Vorteile der digitalen Befragung sind Schnelligkeit, Multimedialität, Kosteneffizienz und die Erreichbarkeit von engen Zielgruppen. Oder etwas bildlicher ausgedrückt: Bevor traditionelle Institute ein Angebot gelegt haben, basteln wir schon am Endbericht. Dabei sparen unsere Auftraggeber zudem noch Kosten und können Produktverpackungen, Anzeigensujets oder Regale im Fragebogen visualisieren. Dass wir selbst rekrutierte Teilnehmer-Pools auf allen Kontinenten verwalten, wird auf einem zunehmend globalisierten Markt auch immer wichtiger. Schon heute kommt jeder zweite Umsatz-Euro aus dem Ausland.
Aktuell haben Sie auch zwei Projekte im CSR-Bereich. Sie treten an gegen das Bienensterben und setzen sich für soziales Engagement ein.
Tommy Schwabl: Genau! Das erste Projekt richtet sich gegen das Bienensterben und wird gemeinsam mit dem Imker Simon Tötschinger (LyLys Honig) aus Jois umgesetzt. Für jede Neuanmeldung in unserem Panel rund um den Welttag der Biene im Mai stecken wir 50 Cent in die Ansiedelung neuer Bienenstöcke am Leithagebirge. Damit stärken wir nicht nur die heimische Population, sondern bekommen auch unseren eigenen Honig. Das zweite Projekt basiert auf der Freistellung der Mitarbeiter, wenn sie sich sozial engagieren. So machen wir im Rahmen der Initiative „Social Friday“ am Freitagnachmittag gemeinschaftlich blau, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Im ersten Durchgang bekochen wir Obdachlose in Wien. Das stärkt nicht nur das Teamgefüge, sondern stiftet wirklich Sinn.
Welche Studie würde Sie interessieren?
Tommy Schwabl: Mit mehr als 1000 Studien pro Jahr haben wir nahezu jeden Themenbereich bereits untersucht und es gibt wenig weiße Flecken auf meiner persönlichen Marktforschungslandkarte. Gerne würde ich aber eine Studie zum Thema Kunst in Österreich realisieren, weil ich die Marktmechanismen besser verstehen möchte. Mich würde interessieren: Wer sammelt, was sind die Motive und Beweggründe dahinter, wie ist der Entscheidungsprozess und welche Budgets kommen zum Einsatz?
Das passt inhaltlich zu dem Award, den Sie ausschreiben.
Tommy Schwabl: Ja! Wir schreiben einen Award rund um die Visualisierung von Daten und Infografiken aus, bei dem wir mit dem Street- Art-Künstler Golif zusammenarbeiten. Da sind wir gerade im Finale der Konzeption. In Zeiten, in denen Daten omnipräsent sind, möchten wir jenen eine Bühne geben, die komplexe Inhalte einfach bildlich vermitteln können. Hoffentlich finden wir noch ein paar motivierte Partner, damit dieser Bewerb richtig groß wird. Das ist mir ein persönliches Anliegen.
Im Jahr 2000 gründete Tommy Schwabl Österreichs führendes Online-Markt und Meinungsforschungs-institut. Marketagent.com realisiert heute rund 1000 Online- Research-Projekte pro Jahr und führt dazu mehr als eine Million Web-Interviews durch. Das Herzstück von Marketagent.com ist ein Online Panel mit rund 1,3 Millionen befragungswilligen Konsumenten aus 60 Ländern.
Foto: Paul Kolp
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