Zwei Architekturbüros setzen mit den Mountain and Cloud Cabins den Siegeszug des Hütten-Resorts fort. Aus ihren verspiegelten „Spaceships“ schweift der Blick künftig in die hügelige Landschaft am oberen Jangtsekiang.
Wenn der Nebel in Schwaden über den Wäldern hängt, sind sie so gut wie unsichtbar. Dann verschwinden die Spiegelwände der Hütten in der milchigen Unschärfe der Landschaft. Wird die Szenerie zur dramatischen Postkartenkulisse, so wird diese von den Fassaden der über die Landschaft verstreuten Hotelzimmer zurückgeworfen. Wie das vom Fernsehen bekannte „Bild im Bild“, nur in freier Natur. Dass diese architektonischen Reflektoren den Namen Mountain and Cloud Cabins tragen, ist durchaus passend.
Das Konzept des avantgardistischen Hütten-Hotels ist allerdings nicht neu und hat sich bereits vielerorts bewährt. Die Architekturbüros Wiki World und Advanced Architecture Lab haben es nun in die chinesische Provinz Hubei gebracht.
Gratwanderung im Ökosystem
Im Grunde funktioniert das Konzept überall dort, wo es Landschaften zum Niederknien und eine tolerante Baubehörde gibt. Ob im norwegischen Naturschutzgebiet, auf arktischen Wassern oder am Dawson Lake in West Virginia – die Baumhaus- und Hütten-Resorts sind weltweit im Vormarsch. Ihrer großartigen Instagrammability ist es zu verdanken, dass sie sich nicht nur bei eingefleischten Cabin-Porn-Anhängern ins Bewusstsein schleusen. Eskapismus am Bildschirm ist längst zu einer Art Nationalsport geworden.
Doch das Konzept ist nicht ganz unumstritten. Während kritische Stimmen den zunehmenden Verlust an unberührten Landschaften beklagen, halten Befürworter die minimalinvasive Bauweise dagegen. Die einzelnen Cabins sind meist auf Stelzen gebaut, ohne die Typographie der Landschaft zu verändern. Unbestritten ist, dass ein konventioneller Hotelbau einen wesentlich größeren Eingriff in die Natur und das Ökosystem bedeuten würde.
Raumschiffe im Tarnmodus
Die 18 verkleideten Holzhütten entwarfen die Architekten von Wiki World und Advanced Architecture für ein Hotel in Yichang in der Provinz Hubei. Je nach Typographie kommen fünf verschiedene Modelle zum Einsatz. Am Talboden sind sie die Form von Brücken zwischen die Hänge gespreizt. In höheren Lagen stehen sie als modulare Panorama-Boxen in den terrassierten Teefeldern und zwischen den Baumkronen ragen sie wie futuristische Spaceships hervor.
Diese spitz nach oben weisenden Loft-Hütten sind stolze 14 Meter hoch. Die dreieckigen Fassadenflächen am rückseitigen Eingang betonen den Science-Fiction-Charakter und wecken den Eindruck von Raumschiffen im Tarnmodus. Wesentlich bodenständiger gibt sich der gemeinschaftliche Bungalow, in dem Lobby, Café und Schwimmbad untergebracht sind.
Außen hui, innen hygge
Die Hütten werden in Fertigteilen aus Brettsperrholzplatten geliefert und konnten in nur einem Tag zusammengesetzt werden, wie die Architekten berichten. Als Fundament dienen Plateaus, die in Stelzenbauweise errichtet sind. „Das Punktfundament und die umgekehrte Regenschirmform der Säulen ermöglichen einen minimalen Eingriff in die Landschaft“, heißt es vom Büro Wiki World.
Das Punktfundament und die umgekehrte Regenschirmform der Säulen ermöglichen einen minimalen Eingriff in die Landschaft.
Wiki World, Architekturbüro
Bei der Inneneinrichtung finden sich sowohl Referenzen an japanische Ryokansals auch an den nordischen Purismus. Die hellen Holzpaneele, die offenen Kamine und das minimalistische Design kommen nicht von ungefähr. Mu Wei, der Gründer von Wiki World, lebte einige Zeit in Norwegen und wollte den Hütten einen dezidiert skandinavischen Touch geben.
China investiert vermehrt in den Inlandstourismus, und das nicht erst seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie. Dabei stehen stylische Cabin-Resorts besonders hoch im Kurs. Für die gewünschte Dosis Hygge-Flair müssen Chinesen also in Zukunft keine Langstreckenflüge mehr antreten.
Text: Gertraud Gerst
Bilder: Arch-Exist
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