Spitzensommeliers: Karin Visth & Dominik Ginzinger

Spitzensommeliers

Ein Interview mit den Spitzensommeliers Karin Visth (KOKS, 2 Michelin Sterne, Leynar) und Dominik Ginzinger (Sager + Wilde Hackney Road, London), Mai 2020.

Warum die Krise die Sommelerie auch positiv beeinflussen wird.

Interview Spitzensommeliers: Kalk und Kegel


Wie hat der Lockdown die Gastronomie in eurem Land bzw. in eurer Stadt getroffen und wie sich das auf euer Lokal ausgewirkt?

Dominik Ginzinger: Im ersten Moment sehr ähnlich wie in Österreich, allerdings hat diese Krise England viel intensiver und auch später getroffen. Ich befürchte, die vollen Auswirkungen werden wir erst in den nächsten Monaten zu spüren bekommen, aber jede Gastronomin und jeder Gastronom wird auch alles dafür geben, dass die Betriebe mit vollem Elan wieder durchstarten können. Zu Beginn des Lockdowns waren wir im Sager + Wilde – wie wahrscheinlich jeder andere gastronomische Betrieb – von der Situation überwältigt. Wir haben uns jedoch schnell und motivierender denn je zahlreichen neuen Ideen und Projekten angenommen.

Karin Visth: Bei uns auf den Färöer Inseln hat man mit einer sehr effektiven Virusbekämpfung das COVID19-Virus in den Griff bekommen und die Inseln sind nun offiziell virusfrei ohne Todesfälle. Die Färöer Inseln haben zudem weltweit die höchsten Testraten und sind zusätzlich sehr isoliert vom der restlichen Welt. Auf den Inseln ist die Gastronomie für zwei Monate stillgestanden. Alle Restaurant, Hotels und Bars wurden geschlossen, nur Take-away Angebote waren erlaubt. Restaurants dürfen jetzt ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen. Da dass KOKS jedoch hauptsächlich ausländische Gäste hat und die Grenzen geschlossen bleiben, ist es uns noch nicht möglich wieder zu eröffnen. 

Spitzensommelier Dominik Ginzinger

In Zeiten der Krise wurde deutlich, dass viele Menschen unter dem Motto „support your local business“ speziell Klein- und Mittelbetriebe unterstützen, die nachhaltig und regional arbeiten.

Dominik Ginzinger, Sager + Wilde

Was konntet ihr in der Zeit des Lockdowns „pro-aktives“ für euer Lokal machen?

Dominik Ginzinger: Einiges! Wir haben auf unserer Website einen Bottle Shop ‘Sager + Wilde to go!’ eingerichtet und liefern unsere Weine zum Teil selbst aus. In der Zwischenzeit haben wir ein Deli im Sager + Wilde Hackney eröffnet und verkaufen zum Take-out Preis: Wein, Bier und die Mezcal Linie ‘El Destilao’ von Michael Sager. Außerdem arbeiten wir eng mit ‘Provisions London’ zusammen und bieten deren selektive Auswahl an hochwertigem Käse, Charcuterie und Antipasti an. Unser Schwester-Restaurant ‘FARE’ bereitet hausgemachte, authentisch italienische Pastateige zu, die wir zusätzlich in unserem Deli verkaufen.

Karin Visth: Die ersten Wochen haben wir viel im und ums KOKS gemacht. Wir konnten die Zeit nutzen um einen Räucherofen aufzubauen, einen Hühnerstall zu errichten, sodass eine Hühnerfamilie einziehen konnte und wir haben uns mit einem neuen Kompostsystem beschäftigt, darüberhinaus ein Gewächshaus gebaut. Jetzt, da ein Restaurantbetrieb wieder erlaubt ist, werden wir ein Pop-up Restaurant eröffnen, welches in einer entspannten Atmosphäre in der Hauptstadt Tórshavn sein wird.  

Spitzensommeliere Karin Visth

Ich glaube, dass die Krise noch stärker das Bewusstsein des Gastes für regionale Lebensmittel und Spezialitäten stärken wird.

Karin Visth, KOKS

Wie bereitet ihr euch auf die Zeit des Wiederaufsperrens vor?

Dominik Ginzinger: Da es im Moment danach aussieht, als ob wir vor Juli unsere Betriebe nicht wieder aufsperren können, konzentrieren wir uns auf unsere derzeitigen Projekte und arbeiten weiter an nachhaltigen Konzepten für die Zukunft.

Karin Visth: Der Tag an dem der Lockdown bekannt wurde, war gleichzeitig der Tag, an dem das KOKS in eine neue Saison starten wollte. Alle Vorbereitungen für eine Neueröffnung waren also schon getan. Somit ist das KOKS-Team bereit. Es gibt ein neues Menü, eine tolle Weinbegleitung und viele kleine Erneuerungen. 

Welche Maßnahmen werdet ihr als Spitzensommeliers unabhängig von möglichen Verordnungen treffen?

Dominik Ginzinger: Das ist eine Frage, die ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten kann, da die Regierung in England noch in einer ganz anderen Phase steckt als in Österreich. Aber wie schon zuvor erwähnt, arbeiten wir derzeit auf Hochtouren nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte für die Zeit nach dem Lockdown aus.

Karin Visth: Wir sind ein kleines Restaurant mit nur 26 Sitzplätzen, also mit ausreichend Platz zwischen den Tischen. Außer alle hygienischen Maßnamen und Reinigungen ist nichts geplant. 

Sager+Wilde Hackney Road
Das Sager+Wilde Hackney Road gilt als eine der besten Weinbars in London.
Während des Lockdowns ist hier vorübergehend ein Deli entstanden.

Wie denkt ihr als Spitzensommeliers, wird die Krise sich auf die Zukunft der Gastronomie und im Speziellen auf die Sommelerie auswirken?

Dominik Ginzinger: Ich sehe das Ganze sehr positiv und denke, die Gastronomie wird sich wieder mehr auf das Wesentliche fokussieren. In Zeiten der Krise wurde deutlich, dass viele Menschen unter dem Motto „support your local business“ speziell Klein- und Mittelbetriebe unterstützen, die nachhaltig und regional arbeiten. Auch in der Sommelerie kommt das zum Tragen. Man wird sich noch mehr auf die Beziehungen zu den Winzern und Winzerinnen konzentrieren, deren Arbeit man persönlich schätzt.

Karin Visth: Das COVID19 wird bestimmt finanzielle Auswirkungen haben. Wir werden vielleicht die ganz teuren Tropfen die nächsten Monate im Keller lassen müssen und verstärkt preisgünstige Weine verkaufen. Ich glaube, dass die Krise noch stärker das Bewusstsein des Gastes für regionale Lebensmittel und Spezialitäten stärken wird . Dies würde uns entgegenkommen.

sagerandwilde.com/hackney-road
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