Gut bedacht: Das neue Hauptquartier der englischen Non-Profit-Organisation CABI setzt deren Suche nach landwirtschaftlichen Lösungen gegen den Klimawandel auch architektonisch in Szene. Sehr zur Freude der lokalen Tierwelt.
Wenn man sich seit mehr als hundert Jahren mit der Natur und einem möglichst schonenden Umgang mit ihren Ressourcen auseinandersetzt, ist es nur logisch, beim neuen Hauptquartier besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit zu legen. Die Insekten und Vögel, die auf dem begrünten Dach eine neue, nährstoffreiche Heimat finden, sind mit dem Ergebnis natürlich sehr zufrieden.
Nie mehr Schule
Die gemeinnützige Organisation CABI war 33 Jahre lang in einem zuletzt schon sehr wartungsintensiven ehemaligen Schulgebäude untergebracht. Nicht nur in der Außenwirkung eine sub-optimale Adresse, wenn man sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft auseinandersetzt.
Das neue Hauptquartier in Wallingford in der englischen Grafschaft Oxfordshire, sollte deshalb so energieeffizient als möglich sein und gleichzeitig eine flexible Arbeitsumgebung in eine wunderschöne und biologisch außergewöhnlich vielfältige Landschaft integrieren.
Sonne raus, Sonne rein
Federführend für den zweigeschossigen Neubau mit einer Nutzfläche von rund 2.800 Quadratmetern war das englische Architekturbüro Scott Brownrigg. Um den Energieverbrauch von Haus aus möglichst niedrig zu halten, wurde das Gebäude so im Gelände positioniert, dass die Sonneneinstrahlung im Sommer auf ein Minimum reduziert wird (und gleichzeitig Schatten spendet) und im Winter möglichst viel Sonnenlicht einlässt.
Auch bei der sorgfältigen Auswahl der Bau-Materialien wurde größter Wert auf einen kohlestoffarmen Betrieb der Anlage gelegt. So ermöglichen etwa die Vorhangfassaden und Sonnenschutzsysteme von Metal Technology dank ihrer perforierten Paneele eine natürliche Belüftung.
Kommunizierendes Gebäude
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie hat das Thema Luftqualität in Büros zusätzliche Bedeutung gewonnen. Das weiß auch Projektleiter Ed Hayden: „Dieses Belüftungssystem war ein wichtiger Faktor bei der Planung. Die perforierte Fassade lässt Tag und Nacht saubere, kühle Luft ins Gebäude. Im Winter wird die Lüftung mit Wärmerückgewinnung genutzt, um die Frischluft vorzuwärmen.“
Das System fördert eine Kommunikation zwischen dem Gebäude und seinen Nutzern.
Ed Hayden
Dazu kommt ein Ampelsystem, das die Mitarbeiter in den Büros warnt, wenn die Räume zu stark erwärmt sind oder nicht genügend Frischluft zugeführt wurde. „Das System fördert eine Kommunikation zwischen dem Gebäude und seinen Nutzern. Etwa, indem es die Menschen darauf aufmerksam macht, das Fenster zu öffnen …“
CABI – Wissen schafft Lösungen
CABI ist eine im Jahr 1910 gegründete internationale Non-Profit-Organisation. Das Akronym steht für Centre for Agriculture and Bioscience International, also Zentrum für Landwirtschaft und Biowissenschaften. Ziel und Aufgabe von CABI ist es, „Wissen zu schaffen und anzuwenden, um Herausforderungen zu bewältigen, mit denen Menschen auf der ganzen Welt konfrontiert sind.“
Die Organisation, die sich ursprünglich nur im Gebiet des britischen Commonwealth engagiert hat (der ursprüngliche Name war Commonwealth Agricultural Bureaux) ist weltweit in 49 Ländern aktiv. Zu ihren Aufgaben zählt nicht zuletzt eine Analyse nachhaltiger Anbaumethoden, die drohenden Ernteverlusten – speziell für Kleinbauern in gefährdeten Regionen – entgegenwirken sollen. „Dank der Anwendung digitaler und mobiler Technologien“, heißt es dazu bei CABI, „verwandeln wir Daten in praktisch anwendbares Wissen.“
Hinein in die große, weite Welt
Die Geschichte von Scott Brownrigg beginnt zur gleichen Zeit wie jene von CABI. Annesley Harold Brownrigg gewann ab 1910 eine Reihe von Architekturwettbewerben; nach seiner Militärzeit baute er ab 1918 gemeinsam mit einem Kollegen ein Büro in Guildford im Südosten Englands auf, das sich auf die Planung von Industrie-, Gewerbe-, Bildungs- und Freizeitprojekten konzentrierte.
Heute liegt die Zentrale von Scott Brownrigg (der Zusatz Scott geht auf Duncan Scott zurück, der 1958 zum Namenspartner wurde) in London. Neben dem traditionellen Stammsitz in der 70.000-Einwohner-Stadt Guildford gibt es Niederlassungen in Cardiff, Edinburgh, Amsterdam, New York, Singapur und Hongkong. Zu den bekanntesten und meistgenutzten Bauwerken des Architekturbüros zählen Terminal 4 am Flughafen London Heathrow und die Zentrale der BBC.
Schutz für das Schöne
Beim CABI-Headquarter ging es – noch stärker als bei großstädtischen Bauvorhaben – um die Einbindung des Gebäudes in die Landschaft. Denn Wallingford (wo dereinst Krimi-Legende Agatha Christie starb) und Umgebung gelten als „Gebiet von außerordentlicher natürlicher Schönheit“. In England, Wales und Nordirland werden Gegenden als „Area of Outstanding Natural Beauty“ (AONB) bezeichnet, die – ähnlich wie Nationalparks – unter besonderen Schutz gestellt werden.
Tatsächlich wurde dem 3.500 Quadratmeter großen Areal nach einer ausgiebigen Prüfung attestiert, dass „das Vorhaben zwar eine begrenzte Beeinträchtigung des AONB zur Folge hätte, dass aber in diesem Fall außergewöhnliche Umstände vorlagen, die diese Beeinträchtigung überwogen.“
Brummende Biodiversität
CABI konnte nicht zuletzt nachweisen, dass das Bauvorhaben eine „ökologische, soziale und wirtschaftliche Rolle und damit die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung erfüllt“. Grund dafür waren nicht zuletzt das bewachsene Dach und der Grünraum rund um das Gebäude: Zypressen, einheimische Hecken, niedrige Sträucher, Zierpflanzen und mehrjährige Blumen sorgen für summende, brummende Biodiversität.
Die Stimmung unter den 180 Mitarbeitern ist, dem Vernehmen nach, äußerst positiv – was nicht nur am schmucken Café-Restaurant, den schicken Sitzungsräumen oder dem hochmodernen Auditorium liegt.
Beeindruckendes Wahrzeichen
„Wir haben jetzt ein Büro, auf das wir wirklich stolz sein können und das zu einer internationalen Organisation passt, die von Gästen und Mitarbeitern aus der ganzen Welt besucht wird“, sagte der damalige CABI-CEO Trevor Nicholls anlässlich der Eröffnung im Jahr 2020 – kurz vor seinem eigenen Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand: „Es steht im Einklang mit unserem Auftrag und unseren Werten, die Umwelt und die biologische Vielfalt zu schützen, und ist gleichzeitig ein beeindruckendes lokales Wahrzeichen.“
Text: Hannes Kropik
Fotos: Hundven Clements Photography
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