Japan, my love…
Die Räucherstäbchen waren ein Mitbringsel unserer Nachbarn von einer Ostasienreise, ich war damals acht und sie erschienen mir unendlich kostbar. Sie dufteten anders als alles, was ich bislang kannte, und bald roch auch der gesamte Wäscheschrank, in dem sie aufbewahrt wurden, zauberhaft und exotisch.
Einige Jahre später lief im deutschen Fernsehen die Serie „Shogun“ und gemeinsam mit dem von Richard Chamberlain gespielten schiffbrüchigen Seefahrer des 17. Jahrhunderts entdeckte ich das abgeschottete Inselreich Japan: So anders konnten Menschen leben, denken und fühlen. Trotz der absurd schlechten Synchronisierung und der mangelhaften Bildqualität faszinierte mich diese essenziell japanische Mischung aus Kargheit und Opulenz, Poesie und Gewalt, der absolute Gestaltungswille auch in Details.
Japanische Muster
Während meines Designstudiums schließlich fiel mir ein Buch mit traditionellen japanischen Mustern in die Hände: Kirschblüten, Meereswellen und Kraniche. Besonders liebte ich die Miniatur-Ahornblätter, die wie zufällig dahingestreut wirkten, aber dennoch in absolut harmonischem Verhältnis zueinander standen. Dieses Buch wurde zu meiner Inspirationsquelle für zahllose Projekte.
2013 reiste ich das erste Mal nach Japan.
Kyōtos Straßen mit ihren altehrwürdigen Läden für Papier, antike Stoffe und Tee fühlten sich so vertraut an, als sei ich heimgekehrt, denn in ihrer Liebe zum Detail waren diese Menschen genauso verrückt wie ich. Erst später merkte ich, wie oft man sich als Westler in dieser hoch verfeinerten Kultur als unzivilisierter Barbar fühlt, weil man die Regeln nicht kennt. Und Regeln sind wichtig in Japan!
Meine Liebe zu Japan verdanke
ich einer Schachtel Räucherstäbchen
und Richard Chamberlain.
Im Saihō-ji-Tempel fand ich endlich meine Ahornblätter wieder. Der Tempelgarten bildet mit Bäumen und über 100 verschiedenen Moosarten eine Traumlandschaft nach. Und am Rande des Teichs, unter einem kahlen Strauch, warteten sie auf mich: kleine rote Ahornblätter auf einem grünen Moospolster. Symbol der Verbindung höchster Verfeinerung mit der Liebe für das scheinbar Beiläufige, das jedoch niemals dem Zufall entspringt, sondern der genauen Beobachtung des Zufalls und seiner Ergebnisse. Das ist Japan für mich!
Auch was Düfte angeht, meidet das Land der aufgehenden Sonne den Exzess.
So, wie es sich für Japaner ziemt, bei einer Erkältung demonstrativ eine Atemmaske zu tragen, um andere nicht zu gefährden, so wäre es ihnen ein Graus, mit einem zu starken Parfum die Intimsphäre der Mitmenschen zu verpesten.
Zwar existiert die Tradition des Weihrauchs und mit Shiseido sogar ein Parfumhaus internationalen Formats. Aber der Markt war immer speziell, will raffinierte, aber dezente Düfte. Sophistication selbst im Supermarkt: Während globale Shampoo-Marken ihre Produkte meist weltweit mit demselben Parfum versehen, werden für Japan eigene Düfte entwickelt. Erst seit einigen Jahren entdecken Japans Konsumenten zaghaft intensivere und gewagtere Düfte.
In den letzten Jahren inspirierte japanische Ästhetik eine ganze Reihe von Parfums.
Ramón Monegal, Dior und Floris feierten die japanische Kirschblüte Sakura und die gebürtige Japanerin Miya Shinma eröffnete in Paris ihr eigenes Parfumhaus.
Floraïku
Keine andere Marke jedoch zelebriert das Thema so wie Floraïku: Die Flakons erinnern an den Kopfputz japanischer Shintō-Priester und befinden sich in einer Art Bentō-Box, Parfumnamen wie Between Two Trees oder The Moon And I scheinen direkt einem Haiku entsprungen und meine geliebten traditionellen Muster finden sich auf den liebevoll gearbeiteten Kappen der Flaschen. Diese werden dank der mitgelieferten Phiole im Handumdrehen zum Reiseflakon – auch etwas sehr Japanisches: Ein Objekt mit wenigen Handgriffen in etwas anderes zu verwandeln, man denke nur an die Reispapierwände, die einen Raum nach Bedarf immer neu aufteilen.
In The Rain
Mein absoluter Favorit der Reihe ist In The Rain, das mich mit seinem klaren Akkord aus Bergamotte, Zedern und Hölzern verzaubert hat.
Es lässt mich an sanften Frühlingsregen denken, der auf den Teich des Saihō-ji-Moosgartens fällt – und ein bisschen auch an Richard Chamberlain.
Fotos: Floraïku
ABENTEUER IN DER FLASCHE // Kolumne by Helder Suffenplan >>
HELDER SUFFENPLAN
ist unabhängiger Publizist und CreativeConsultant aus Berlin. Schon seit seiner Kindheit hegt er eine besondere Leidenschaft für Parfums. Mit dem erfolgreichen Start von SCENTURY.com – dem ersten Online-Magazin für Perfume Storytelling – im Jahr 2013 wurde Helder zur anerkannten Persönlichkeit in der globalen Welt der Düfte.
Er war Jurymitglied u. a. für The Art & Olfaction in Los Angeles oder dem Prix International du Parfumeur-Créateur, Paris. Als Autor verbindet er sein Lieblingsthema Parfum mit vielfältigen Bereichen wie zeitgenössischer Kunst, Popkultur, Literatur, Film und Geopolitik.
Foto: Holger Homann
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