Der Visionär Remo Masala blickt auf eine zwanzigjährige Vorstandstätigkeit bei grossen Reisekonzernen zurück und hat vor drei Jahren seine eigene Konzept-Agentur gegründet. Mit Vision Alphabet kreiert Remo Masala vor allem Marken im Tourismusbereich, arbeitet aber auch für Unternehmen wie Audi, Ricola oder Condor Fluggesellschaft. Er gibt als (Mit-)Erfinder zahlreicher Hotelbrands wie 25Hours, Superbude, Bold Hotel, Playitas Sporthotel, The Comodo, Casa Cook oder Cook’s Club und hat zahlreiche Awards in Marketing und Hotellerie erhalten, etwa für Oku Ibiza.
Remo Masala ist eine der führenden Persönlichkeiten, wenn es um Marken im Tourismus geht. Er bereist die Welt und filtert sie durch seine kreative Brille. THE Stylemate hat ihn zum Gespräch gebeten. Das sich so locker liest, wie ein entspannter Urlaub-Reiseanekdoten aus der Hippiezeit, Gedanken über Zeitgefühl, auf griechischen Inseln und Bilder vom Uluru inklusive.
Q: Was darf in Ihrem Koffer niemals fehlen?
A: Die Frage müsste lauten, was fehlt in meinem Koffer immer? Wie bei jedem Menschen: Platz. Ich habe über die Jahre natürlich gelernt, effektiv zu packen und mit kleinem Gepäck zu reisen, aber irgendetwas muss dann doch immer zu Hause bleiben.
Q: Flugumbuchungen, Reisewarnstufen, verschärfte Einreisebestimmungen: Bei aktuellen Reisen sind auch die Sorgen rund um Covid mit im Gepäck. Wie werden diese Begleiterscheinungen zur Nebensache?
A: Menschen gewöhnen sich irgendwann an Gegebenheiten und passen sich an. Anders würde die Welt ja stillstehen. Früher war es aufwendig, Flüge und Hotels zu buchen. Heute sind es die Einreiseformulare und Covid-Tests. Gut, dass der Wille zu reisen aber wieder spürbar stärker ist als die Angst.
Q: Durch Covid mussten sich viele Unternehmen neu erfinden, um zu überleben. Was hat das mit der Hotellerie gemacht?
A: Sich neu zu erfinden oder mal kurz stehen zu bleiben, um Gedanken neu zu sortieren, ist ja grundsätzlich nicht verkehrt. In diesem Fall war es erzwungen und als Hotel war man trotz Kreativität nahezu ohnmächtig. Was man aber sehr gut erkennen konnte, ist, dass Hotels, die als Marke unverwechselbar sind und eine hohe Gästeloyalität besitzen, weniger gelitten und sich schneller erholt haben als verwechselbare Hotels. Das sagt schon viel. Die neue und größere Herausforderung, mit der Hotels und Restaurants in Zukunft zurechtkommen müssen, ist die Tatsache, dass sich das Personal während der Pandemie in Jobs mit besseren Konditionen verflüchtigt hat. Das sagt auch viel aus! Hier müssen bessere Konzepte für Mitarbeiter her und die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Q: Sie gelten als Visionär im Tourismus. Wie schaffen Sie es, die Branche immer wieder neu aufzumischen?
A: Naja, aufmischen ist kein nachhaltiger Job. Ich versuche, meine Kunden zu ermutigen, Dinge anders zu sehen und zu gestalten. Das spannende Business beginnt immer außerhalb der Komfortzone. Während sich die Welt rasant bewegt und Generationen heranwachsen, die „truly digital“ sind, kämpfen andere um ihre in die Jahre gekommene Stammkundschaft, die nicht mehr allzu lange verreisen wird. Wir stehen alle im Spannungsfeld zwischen dem Neuen, das es zu integrieren gilt, ohne das Alte zu vergraulen. Dieser Spagat muss gelöst werden, und zwar bevor man in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.
Q: Die von Ihnen konzipierten Casa Cook Hotels sind Orte für „Kindred Spirits“. Wer sind diese Gleichgesinnten? Und wer ist die „New Generation of Travellers“, die in den Cook’s Club Hotels urlaubt?
A: Casa Cook hat es geschafft, eine Marktlücke für sich zu entdecken. Viele Hotels haben den Stil kopiert und zu einem großen Trend werden lassen: ein Trend weg von Standards, Kälte und Plastik hin zu mehr Wohnlichkeit, Herzlichkeit, Spontaneität und Komfort. Es ist erfreulich zu sehen, dass trotz vieler Kopien das Original stets wächst und die Fans treu bleiben. Cook’s Club ist eine junge, stark wachsende Hotelmarke, die sich den Wünschen jüngerer Generationen verpflichtet hat. Da geht es um die richtige Musik zur richtigen Zeit, Streetfood-Philosophie anstatt All Inclusive, um affordable Design ohne zu protzen und Cocktails, die schmecken. Das hört sich nach wenig an, ist aber leider in vielen Urlaubsregionen noch nicht angekommen.
Q: Auf welches neuartige Reisekonzept dürfen wir uns in den nächsten Jahren freuen?
A: Es passiert selten, dass jemand eine Konzept entwickelt. Mut ist wie Veränderung, nur früher. Und der fehlt in der Branche leider zu oft. Die Hotelbranche ist eine Copycat-Industrie. Veränderung ist meist früher da, als sie sich uns offenbart. Es geht darum, frühzeitig die Weichen zu stellen, dann ist man gut vorbereitet.
Q: Welche Destinationen sind im Moment en vogue für den designaffinen Reisenden?
A: En vogue ist immer, wo mutige Hoteliers neue Ideen entstehen lassen. Das können spannende Architekturprojekte sein, aber auch Abenteuer, die uns anziehen, weil wir sie nicht kennen. Die nächsten Destinationen sind entweder kuratierte Orte, an denen sich Menschen begegnen wollen, oder ein Seelenzustand, den man bereisen möchte, also ein Sehnsuchtsort. Im besten Fall trifft beides zu. In jedem Fall handelt es sich aber nicht um geografische Koordinaten auf der Landkarte.
Q: Viele Hotels sind standardisiert. Wie bekommen sie eine Seele?
A: Seele ist die neue „Experience“: Jeder baut gerade Seele in die Hotels ein. (lacht) Am Ende geht es darum, ein Hotel als Inspirationsquelle zu sehen und nicht als reinen Beherbergungsbetrieb, der die Bettwäsche wechseln kann. Der emotionale Zusatznutzen ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Und der sollte am besten kein Fake sein, dann wird alles gut.
Q: Durch Instagram und Co. können wir die ganze Welt digital bereisen – und das oft durch einen Filter. Wie geht man da mit den Erwartungen der Reisenden um?
A: Ich finde es toll, dass man jederzeit die Schönheit der Welt auf den sozialen Kanälen entdecken kann, gerade in Zeiten wie diesen. Das spornt zum Reisen an. Der Filter ist eine persönliche Einstellung und soll im Grunde den eingefangenen Moment noch einzigartiger machen. Wir bekommen heute Inspiration à gogo und nehmen auch Enttäuschungen in Kauf. Das gehört zum Reisen dazu. Wenn man beispielsweise den Uluru in Australien zum Sonnenuntergang fotografiert, dann ist das für die meisten Menschen ein Once- in-a-lifetime-Erlebnis. Da kommt kaum einer auf die Idee, sich umzudrehen und ein Foto von den hundert anderen, die auch gerade ein Foto schießen, zu machen. Wir behalten es stillschweigend für uns, weil uns der Uluru in diesem Moment glücklich macht und nicht die Tatsache, dass ich einer unter vielen Reisenden bin.
Q: Spiritualität auf Reisen: Gelingt das nur mit Yoga auf Bali oder Meditation in Indien?
A: Wenn die Welt schwieriger zu verstehen ist und gefühlt bedrohlicher wird, neigen wir dazu, uns Dingen zuzuwenden, die weltlich nicht so einfach zu erklären sind. Wir suchen Antworten. Und wie machen wir das? „Disconnect to Reconnect“, wie es so schön heißt. Wir gehen neue Wege, um unseren Körper mit unserem Geist und unserer Seele zu connecten. Das eröffnet neue Möglichkeiten, um persönlich zu wachsen. Letztlich geht es um tiefe und sinnvolle Veränderung im Leben. Und das ist ein guter Anfang, der schon zu Hause gestartet werden kann.
Q: Privat auf Urlaub fahren – inwiefern ist das bei Ihnen überhaupt noch möglich?
A: Menschen neigen dazu, immer an das zu denken, was ihnen fehlt anstatt an das zu denken, was sie haben. Ich habe einen Job, der mich viel von der Welt sehen lässt. Und manchmal ist ein Kaffee in der Sonne an einem schönen Ort zwischen zwei Terminen wie ein kleiner Urlaub, den ich genießen darf.
Q: Welcher Ort bringt Sie zum Schwärmen?
A: Mein Rückzugsort ist auf einer griechischen Insel. Dort steht ein Häuschen inmitten von Natur und direkt am Strand. Die Uhr wird auf slow gestellt und die oft vergessene Dimension von Zeit – die, die nämlich nicht chronologisch tickt – bestimmt den Tag. Und wenn man mal schnell zum Bäcker muss, kann man dort auch langsamer schnell zum Bäcker gehen.
Q: Was waren Ihre schönsten Reisen?
A: Ich glaube, wenn man wie ich Anfang der 1980er Jahre die Sturm- und Drangphase erlebt hat, dann sehnt man sich ein Leben lang nach diesem Hippie-Gefühl von damals. Wir haben im Urlaub in einfachen Bambushütten gelebt, Fische geangelt und am Lagerfeuer Musik gemacht, bis der Mond uns den Weg zum Schlafsack geleitet hat.
Es war die Zeit, in der man die Energie im Einfachen getankt hat und unvoreingenommen von einem Abenteuer zum nächsten gewandert ist. Diese Spannung hat so lange angehalten, bis zu Hause die Fotos endlich entwickelt waren und man sie teilen konnte, Geschichten zu erzählen hatte und noch lange mit Träumen geboostert war. Es war vielleicht ein wenig das, was junge Leute heute auf Festivals suchen: mit gleichgesinnten Menschen leicht, frei und unbekümmert in die Nacht zu tanzen.
Q: Was nehmen Sie von einem schönen Urlaub mit nach Hause?
A: Erinnerungen und Fotos. Mehr passt ja gar nicht in meinen kleinen Koffer.
Fotos: Steve Herud, Arianna Frickhinger, Unsplash
>> Visional Alphabet – Remo Masala
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